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Muttergottesoktav . Octave Notre-Dame  
10. April 2010

Entstehung, Entwicklung und Bedeutung der Muttergottes-Oktave

Seit dem 20. Februar 1678, als die Landstände Maria, die Trösterin der Betrübten, zur Landespatronin erwählten, pilgern die Luxemburger aus allen Teilen des Grossherzogtums, sowie die Bewohner des ehemaligen Herzogtums und der Grafschaft Chiny (Grenzgebiete in Belgien, Deutschland und Frankreich) zum seit dem Jahre 1624 bekannten Gnadenbild der Consolatrix Afflictorum in der Kathedrale von Luxemburg. Die Oktave dauert vom 3. bis zum 5. Sonntag nach Ostern und wird mit einer feierlichen Schlussprozession abgeschlossen.

1. Entstehung und Entwicklung

Das aus Lindenholz geschnitzte, 73 cm hohe Marienbild in der Kathedrale ist hierzulande religiöser Sammel- und Mittelpunkt in der Oktavzeit und darüber hinaus. Es ist verbunden mit dem 1603 errichteten Jesuitenkolleg in der Stadt Luxemburg. Am 8. Dezember 1624 wurde die Statue von Jesuitenpater Jacques Brocquart mit Studenten der Marianischen Sodalität vor die Festungsmauern auf freies Gelände („Glacis“) getragen. P. Brocquart gab dem Bild den Titel „Trösterin der Betrübten“. Vereinzelte Pilger oder Studentengruppen zogen nun hierher. Eine Wallfahrtskapelle wurde ab 1625 errichtet und 1628 konsekriert, das Bild wurde darin aufgestellt. In der Kapelle wurde bereits 1632 während acht Tagen eine Muttergottesoktave in Form einer marianischen Wallfahrtswoche abgehalten: entfernter Ursprung unserer „Oktave“. 1639 wurde eine solche zum ersten Mal in der Jesuitenkirche gefeiert, wohin wegen des großen Andrangs der Pilger die Marienstatue für acht Tage gebracht worden war, um danach in feierlicher Schlussprozession in die Kapelle zurückgebracht zu werden: der Ursprung unserer heutigen „Schlussprozession“. 1639 berichtet auch das erste „Mirakelbuch“ über Gebetserhörungen und Heilungen vor dem Gnadenbild in der Glacis-Kapelle. Immer mehr Pilger kommen. 1640-42 wird die Kapelle durch einen rechteckigen Anbau vergrößert. In der Französischen Revolution wird sie profaniert und schließlich abgerissen (1796). Seither ist die Statue in der früheren Jesuitenkirche (heutige Kathedrale) endgültig aufgestellt.

Am 10. Oktober 1666 erwählte die Stadt Luxemburg, am 20. Februar 1678 gefolgt vom Herzogtum Luxemburg und der Grafschaft Chiny, die Trösterin der Betrübten als Schutzpatronin. Eine solche Wahl oder Weihe entsprach gängiger Praxis in der Barockzeit, als vielerorts Marienerwählungen in katholischen Städten und Ländern vorgenommen wurden (in unseren Breitengraden: Namur 1622, Lille 1634, Arlon 1656, Frankreich 1638). Damals bestand eine enge Symbiose Kirche-Gesellschaft, es gab keine Trennung von Politik und Religion, wie sie nach der Franz. Revolution sich durchgesetzt hat. So waren die weltlichen Autoritäten bei diesen Erwählungen aktiv involviert und sogar die Protagonisten: 1666 beschloss (auf Vorschlag von P. Alexander Wiltheim SJ, Rektor der Glacis-Kapelle) der Provinzialrat die Wahl, gefolgt vom Stadtmagistrat; 1677/78 war es die Ständeversammlung (Drei Stände: Klerus, Adel, Bürgerschaft der Städte), gefolgt von den Magistraten der 15 Städte und 3 „Franchises“ des Herzogtums. Die Ausschlag gebenden Gründe für solche Marienweihen waren unterschiedlich, in der Regel ging es um den speziellen Schutz, den man durch übernatürliche Intervention für ein politisches Gebilde (Stadt oder Land) und seine Bevölkerung erbat, meist in Krisenzeiten (Krieg, Pest, Hungersnot) – Luxemburg ist Fallbeispiel. Für die Jesuiten, die eigentlichen Begründer der Oktave, spielte auch das konfessionelle Motiv eine Rolle: durch eine attraktive Volksfrömmigkeit sollte im Geist des Konzils von Trient (1545-63) der katholische Glaube gefestigt und ein Eindringen des Protestantismus verhindert werden.

Das Erwählungsgeschehen von 1666/1678 ist ein Ausgangspunkt. Danach dehnte sich die Verehrung im Volk weiter aus. Es entwickelt sich schrittweise jene Wallfahrt, die jedes Jahr – bis auf den heutigen Tag – in der Zeit der „Oktave“ nach Ostern alle Stadt- und Landpfarreien sowie Pilgergruppen von Jugendlichen und Verbänden in die Kathedrale zum Bild der „Consolatrix afflictorum“ ziehen lässt. 1679 wurde verfügt, diese Muttergottesoktave vom 4. bis 5. Sonntag nach Ostern abzuhalten (vorher war sie im Oktober). Zweimal wurde später die Wallfahrtsperiode ausgeweitet: 1898 wurde eine halbe Woche, 1921 eine weitere halbe Woche vorgelagert. Seither umfasst sie als Doppeloktave vierzehn Tage, wird aber nach wie vor, in der Art eines Eigennamens, im Volksmund als „Oktave“ bezeichnet.

Verschwunden sind die bei der Initialzündung wichtigen Wunderheilungen des 17. und 18. Jh. Die Barockzeit war hierfür sehr empfänglich. Die alten Mirakelbücher aus dieser Zeit erzählen von vielen wunderbaren Gebetserhörungen, im Prinzip Heilungen von schweren Krankheiten. Heute geht dem Luxemburger Marienkult diese Wunderdimension ab, die z. B. in Lourdes nach wie vor eine große Rolle spielt.

Die Organisation der Wallfahrt lag in der Hand der Jesuiten. Als der Orden 1773 aufgelöst wurde, wurde sie dem Stadtklerus übertragen, näherhin der nunmehrigen Pfarrei St. Nikolaus. Im 19. Jh. kannte sie zwei Perioden: 1. eine Dekadenzphase (1795-1840), bedingt durch politische Unruhen, bes. die Französische und die Belgische Revolution; 2. einen neuen Aufschwung ab 1842, als die Oktave zu einem Herzensanliegen der Luxemburger in dem neuen, verkleinerten und kirchlich eigenständigen Großherzogtum wurde. In der heutigen Gestalt wurde sie konzipiert und erneuert durch den Apostolischen Vikar Jean-Theodore Laurent (1842-48).

Bestandteile:

Das Gnadenbild der Trösterin der Betrübten, als Gewandfigur präsentiert, mit Behang, spätmittelalterlich-spanischem Brauch entsprechend. Es trägt u. a. den vergoldeten Stadtschlüssel von 1667.

Der schmiedeeiserne und vergoldete „Votivaltar“ wurde 1766 anlässlich des Zentenariums der Erwählung der Stadtpatronin von Pierre Petit aus Izel bei Orval angefertigt, im Sinn der spätbarocken Bühnenarchitektur. Er entspricht einem früheren Schaubedürfnis und Bildhunger, wie wir ihn ähnlich ausgeprägt bei unseren Zeitgenossen vorfinden („civilisation de l’image“). Der Altar ist mit silbernen Ampeln, Herzen und anderen Votiv- oder Weihegaben (Exvoto) der Pilger behangen, als Dank für empfangene Hilfen.

Besonders feierlich ist die Eröffnung und der Schluss der Oktavzeit. Am Schlusssonntag wird im Hochamt das „Votum solemne“, die Weiheformel, und also die Erwählung vom Bischof wiederholt und für die Zukunft bekräftigt.
Das Pilgern drückte sich früher in barocker Prachtentfaltung aus. Heute ist jedoch die Zeit der großen theatralisch inszenierten Schauprozessionen um, auch wenn die Schlussprozession vom Konzept her die Tradition der Ständeprozession weiterführt: ein nach Ständen, Zünften und Bruderschaften bzw. heute Gruppen und Vereinen zusammengesetzter religiöser Umzug. Dabei wird das Bild der Trösterin d. B. sowie das „Allerheiligste“ („le Saint Sacrement“: der eucharistische Christus in der konsekrierten Hostie, in einer Monstranz eingefasst) mitgetragen. Die Beteiligung ausländischer Prälaten, Bischöfe und Kardinäle, gibt der Prozession universalkirchliche Bedeutung.

Bestandteile, die – neben den Wallfahrten der Pfarrverbände und Dekanate – progressiv dazugekommen sind: Krankenwallfahrt und Wallfahrt der älteren Menschen, Männerwallfahrt, „Pélé des Jeunes“, „Messe du Peuple de Dieu“, Kindersegnung. In der Kathedrale werden Messen und Andachten zelebriert.
Viel Engagement zeigt jeweils der vom Bischof beauftragte Oktav-Prediger. Die Oktave wird in der Verkündigung aus einer historisierenden Sicht herausgehoben und in einen heilsgeschichtlichen, d.h. biblisch-theologischen Kontext gestellt. Nicht so sehr die historisch verankerte Erwählung Marias ist wichtig, sondern ihre Rolle als Urbild und Vorbild der Kirche. Für die Kirche als Volk Gottes unterwegs ist sie Zeichen der sicheren Hoffnung, dass sie ankommt, und des Trostes, der von Gott ausgehend durch sie vermittelt wird.

2. Der nationale Charakter („National-Andacht“)

Unsere Oktavwallfahrt war von Anfang an als Nationalwallfahrt konzipiert, bezogen auf die Bevölkerung eines abgegrenzten Territoriums – Provinz bzw. Land –, mit der Festungsstadt als Zentrum. Solche Nationalwallfahrten haben sich mit dem Entstehen der Nationalstaaten zu Beginn der Neuzeit, d. h. ab der Renaissance, entwickelt. Weitere Beispiele: Polen, Kroatien, Ungarn, Bayern, Kuba…

Bereits zur Zeit des Ancien Régime entwickelte sich die Verehrung der „Trösterin“ als Ausdruck eines Luxemburger Partikularismus zur nationalen Wallfahrt – „Natio“ verstanden als die politischen Obrigkeiten und besonders die drei repräsentativen Landesstände (les Trois Etats), die Träger der Devotion und der jedes Jahr erneuerten Weihe an die Patronin waren, neben der Bevölkerung selbst. Ein Bild der Trösterin wurde vielfach an Häuserfassaden, in den Kirchen auf dem Land oder zu Hause angebracht; Andachtsbilder, Medaillen u. a. Devotionalien verbreiteten sich.

Doch wurde diese nationale Komponente auch im modernen Staat ab der Mitte des 19. Jh. greifbar: Nationalgefühl und -bewusstsein des Volkes amalgamierten sich mit der Muttergottesverehrung und machten Maria zu Sammelpunkt, Wahrzeichen und Identifikationsfigur der unabhängigen Luxemburger Heimat. Dies gab der Oktave mächtigen Auftrieb, obwohl Nationalgedanke und -dimension, religiös gesehen, eigentlich ein Nebenprodukt sind. Das Luxemburger Eigen- und Selbstbewusstsein ist seither eng liiert mit der Andacht zu U. L. F. Religiöse und nationale Symbole überschneiden sich vielfach im einheimischen Marienkult. Sakralliteratur, -musik und -gesang haben darin ein bedeutendes Inspirationspotential gefunden und sind in ihrer konkreten Prägung und Gestalt etwas typisch Luxemburgisches.

Höhepunkt dieses patriotischen Einschlags war der Zweite Weltkrieg, als neben Großherzogin Charlotte im Exil die Muttergottes in der Kathedrale zum Inbegriff eines intakt gebliebenen Luxemburgertums gegenüber dem deutschen Okkupanten wurde. So wie denn die Anrufung „Trösterin der Betrübten“ dazu prädestiniert war, bei der Bewältigung von individuellen oder kollektiven Leidsituationen lindernd und kanalisierend zu wirken. Religion als Faktor für Leidbewältigung und als Sinnquelle wird hier greifbar. Das ist die existenzielle Komponente der Oktave.

Es nimmt daher nicht wunder, dass wichtige Momente unserer Nation, soweit sie eine religiöse Dimension haben, vor dem Gnadenbild in der Kathedrale, dem Nationalheiligtum des Landes, begangen werden. Das gilt für nationale Kommemorationsfeiern ebenso wie für Feiern um Thron und Monarchie, usw.

An den Oktavfeierlichkeiten (so der Schlussprozession) nehmen auch heute noch hochrangige politische Verantwortliche teil: Vertreter des Stadtrats von Luxemburg, der großherzoglichen Familie, von Deputiertenkammer und Staatsrat, Regierung usw. Wird der nationale Aspekt Zukunft haben? Das hängt nicht nur von kirchlichen Entwicklungen ab, sondern vom nationalen Gedanken überhaupt in einem sich vernetzenden und vereinheitlichenden Europa. Landesintern ebenso vom Entwicklungsstadium der weltanschaulich wie religiös sich weiter pluralisierenden Luxemburger Gesellschaft, die immer weniger deckungsgleich sein wird mit der katholischen Kirche – denken wir an die Zunahme anderer Konfessionen und religiöser Gemeinschaften sowie die Zahl von Einwohnern, die nicht glauben.

Im kirchlichen Spektrum wird heute sowieso weniger die nationale als vielmehr die religiöse, d. h. biblisch-heilsgeschichtliche Dimension der Gestalt Marias betont.

3. Glücksfall der Luxemburger Kirche

Verschiedene kirchengeschichtliche Etappen haben im 19. und 20. Jh. zu einer eigenständigen Ortskirche geführt – Gründung eines Apostolischen Vikariates 1840 und einer Diözese 1870, die 1988 zur Erzdiözese erhoben wurde. Diese Etappen sind jeweils unter dezidiert marianischen Vorzeichen erlebt und gestaltet worden: z. B. Hirtenbriefe um und nach 1840, Erhebung zum Erzbistum in der Oktave 1988. Wappen und Wappensprüche der Luxemburger Bischöfe sind vielfach marianisch.

Dass diese sich von Anfang an, ab 1840, den populär gebliebenen Marienkult zu eigen machten, war seelsorglich klug. So wuchsen Kirchenleitung und Kirchenvolk des neuen Jurisdiktionsgebietes zusammen. Die Muttergottes-Oktave wurde zum großen Erfolgserlebnis der 1870 gegründeten Diözese Luxemburg.

Soweit möglich wurden anstehende Oktavjubiläen als Erinnerung an die großen Erwählungen von 1666 bzw. 1678 gebührend gefeiert, zuletzt diejenigen von 1966 und 1978, nach den tiefgreifenden kirchlichen Reformen und theologischen Neuansätzen im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65).

Die Oktave war, historisch gesehen, die Chance für die Luxemburger Kirche. Und sie hat sie genutzt. Soll das weiterhin so sein, heißt es mit Fingerspitzengefühl und Geschick bestehende konstitutive Elemente mit neuen Aspirationen zu verbinden.

4. Wallfahrten sind in

Der Wallfahrtsgedanke ist heute von höchster religionspraktischer und -soziologischer Aktualität – nachzulesen u. a. in „Le pèlerin et le converti“ der französischen Religionssoziologin Danièle Hervieu-Léger (Flammarion 1999). Aktualität erhält er dadurch, dass sich die Kirche seit dem Zweiten Vatikanum, einer Tradition folgend, selbst als „pilgerndes Gottesvolk“ empfindet und deutet.

Das Wallfahrtswesen boomt heute, international gesehen. Es entspricht dem modernen Zeitgeist, der auf Mobilität, Flexibilität und Änderungsfreudigkeit ausgerichtet ist. Punktuell sich an einer Wallfahrt beteiligen, ist in. Für Luxemburg ist mit Interesse zu vermerken: Die Öslinger September-Wallfahrt nach Banneux bei Lüttich, ursprünglich eine Angelegenheit etlicher nördlicher Pfarreien, hat sich progressiv zu einer diözesanen Pilgerfahrt gemausert und genießt große Beliebtheit.

Zudem ist erstaunlich, wie viele kleinere, lokale Marienwallfahrten es bis heute in Luxemburg gibt: Schanz, Girsterklaus, Boevange, Helzingen...

5. Religiöse Großregion vor der politischen (und kulturellen)

Unsere Oktavwallfahrt hat nach dem Startpunkt von 1666/1678 das gesamte damalige Herzogtum einbezogen, das zum Teil deckungsgleich mit der heutigen Großregion ist. Selbst nachdem die historischen Teilungen das Land territorial verkleinert hatten (1659, 1815, 1839), bemühten sich die Luxemburger Bischöfe, den Kontakt mit den abgetrennten Gebieten über die Marienwallfahrt aufrechtzuerhalten, ja zu beleben; immerhin hatten diese – mit Ausnahme der lothringischen Gebiete – ja 1678 mitunterschrieben. Seit 1893 ziehen erneut geschlossene Prozessionen aus Belgien und Lothringen zur Luxemburger Kathedrale. Auch aus der Eifel kommen wieder regelmäßige Wallfahrten in die Oktave. Das ist bis heute so. Eine religiöse Großregion bevor man überhaupt von Großregion gesprochen hat!

6. Integration der Ausländer

Für die vielen Immigranten aus traditionell katholischen Ländern wie Italien und Portugal war und ist die luxemburgische Marienverehrung ein wichtiger Anknüpfpunkt für ihre Integration in die hiesige Bevölkerung – auch wenn sie ihre eigene Madonna mitgebracht haben (so U. L. F. von Fatima, vgl. Wiltz). Das Verbindende ist aber größer als das Trennende. In der Oktave tragen spezifische Feiern diesem Umstand Rechnung: interkultureller Rosenkranz, Messe des Volkes Gottes, Beteiligung fremder Sprach- und Volksgruppen an der Schlussprozession. Ein wichtiger Beitrag der Kirche für das Miteinander aller Bevölkerungsschichten!

7. Der soziale Gedanke: „Tricentenaire a. s. b. l.“

Dem Luxemburger Gnadenbild sind im Lauf seines fast 400jährigen Daseins, als Dank für Erhörungen, zahlreiche Geschenke zuteil worden: Exvoto, kostbare Kleider, Kronen, Schmuckgegenstände usw. Vieles kam in der Franz. Revolution abhanden. Etliche haben die Wirren der Zeit überlebt und sind im Domschatz unserer Kathedrale untergebracht. Sie schmücken regelmäßig das Gnadenbild der T. d. B.

Bei der Dreihundertjahrfeier der Erwählung der Landespatronin 1978 schlug man andere Wege ein und verzichtete bewusst auf materielle Jubiläumsgeschenke an Maria. Vielmehr wurde auf Initiative des damaligen Stadtdechanten Jean Heinisch eine Gesellschaft ohne Gewinnzweck ins Leben gerufen, um ein nationales Werk der Luxemburger Kirche zugunsten handikapierter Mitmenschen und ihrer Familien zu gründen. So entstand die „Fondation du Tricentenaire“ / heute „Tricentenaire a. s. b. l.“, um auf dem Gebiet der Behindertenfürsorge eine Lücke zu schließen. Heute unterhält das Werk zwei Heime: in Walferdingen und in Heisdorf, Heimpflege, sowie das „Centre Jean Heinisch“ in Bissen für „services d’activité de jour" und „ateliers protégés“. Zwei „groupes de vie“ leben in einem Prettinger Haus „A Pulz“.

Dieses Sozialwerk zeigt, wie die einheimische Marienverehrung neue Ideen entwickelt hat. Maria wird nicht mehr nur als übernatürliche Trösterin angerufen, sondern auch als diejenige, die zum aktiven, innerweltlichen Trost zugunsten von Menschen in konkreter Not all jene stimuliert, die sich auf sie berufen.

Schlussfolgerung

Bis heute wird die nationale Marienwallfahrt in Praxis und Gemüt der Luxemburger Katholiken als zentral empfunden. Die Oktave ist Ausdruck, Bild und Maßstab (Seismograf) des katholischen Lebens in unserem Land. Sie gilt als schönste und intensivste Zeit der Luxemburger Kirche, zugleich als spiritueller Schatz, durch den der historisch überkommene Katholizismus tief in unserer Bevölkerung verankert bleibt, und das über alle Pluralisierungs- und Säkularisierungsschübe hinweg, die das Land in den letzten Jahrzehnten gekannt hat. Die bis heute andauernde Langzeitwirkung unterscheidet das Luxemburger Votum von 1666/1678 von ähnlichen Versprechen anderer Städte und Landstriche im Ausland, die keine oder kaum mehr Relevanz haben; andere sind geblieben (Spanien, Bayern, Kuba z. B.).

Die Oktave erhält als kirchlicher „temps fort” im Rahmen einer derzeitigen „Event-Kultur” neue Aktualität. Aktuell bleibt die mit dem Marienbild und dem Ort verbundene Botschaft. Im Mai 1985 hat Papst Johannes Paul II. diese in der Kathedrale auf den Punkt gebracht: „In all diesen Nöten nahmen die gläubigen Luxemburger ihre Zuflucht zu Maria, ihrer Patronin. Sie wurden nicht enttäuscht. Ihr Vertrauen setzten sie auf die, die selbst aus dem Gottvertrauen lebte; ihren Trost fanden sie bei der, die unter dem Kreuz ausharrte und dort vom Gott allen Trostes so gestärkt und getröstet wurde, dass sie jetzt alle trösten kann, die in Not sind.“

Waren bisher die Daten von 1666 und 1678 wie selbstverständlich im Luxemburger Kollektivbewusstsein eingraviert, so besteht die Herausforderung darin, sie auch in Zukunft innerkirchlich wie gesellschaftlich, durch Religionsunterricht und Katechese, Volksfrömmigkeit, Geschichtsschreibung und die Medien(!), wachzuhalten.

Georges HELLINGHAUSEN
georges.hellinghausen@cathol.lu
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Info

Was ist eine Wallfahrt?

Nach der Definition ist eine Wallfahrt oder Pilgerfahrt eine religiös motivierte Fahrt oder Wanderung zu einer heiligen Stätte.

Eine Wallfahrt ist in der Regel mit der Idee verknüpft, am Wallfahrtsort Gott besonders nah zu sein. Sie wird getragen von der Erwartung, am Wallfahrtsziel Stärkung des persönlichen Glaubens, einen Gewinn religiöser Erkenntnis, die Heilung von Krankheiten oder Hilfe in persönlichen Notlagen zu erhalten.

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