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Grundgesetz Jesu
29.01.2017
Mt 5,1-12
„Selig die Armen …“ Matthäus beginnt die Predigt Jesu mit einem Lob. Er preist jene glücklich, die im konkreten Alltag eher als Verlierer gelten. Alle Menschen sehnen sich nach Glück und einem friedlichen Zusammenleben. Die freiheitliche Ordnung eines Staates beruht auf seinem Grundgesetz, das das Miteinander und Füreinander innerhalb eines Landes regelt, ermöglicht und gestaltet, aber auch vor Willkür und Machtmissbrauch schützt.
Die Bergpredigt ist das Grundgesetz Jesu über den neuen Geist des Gottesreiches. Sie eröffnet von Gott her ein Leben aus der befreienden Botschaft seiner Liebe. Damit überbietet sie das AT mit seinen Gesetzesvorschriften, indem sie die ungebrochene Zuwendung Gottes an alle Menschen in Jesu verdeutlicht. Die Bergpredigt ist nicht zuerst ethischer Leitfaden zur Vollkommenheit, sondern Geschenk Gottes. Sie ist aber auch Appell an das verantwortliche Tun des Menschen. Sie ist frohe Botschaft, weil sie aus dem tödlichen Kreis der Machtgier und der Gewalt ausbricht zugunsten einer Welt, in der die Liebe höchstes und heiligstes Prinzip ist.
Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmit pflegte in seinem trockenen Humor zu sagen: „Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen!“ Aber im Gegensatz zum Geist der Bergpredigt auch nicht! Die Bereitschaft zu dienen nach dem Vorbild des Menschensohnes (Mt 20,26) bietet neue Perspektiven für mehr Menschlichkeit für alle und zu allen Zeiten. Das täte aktueller Alltagspolitik sicher gut. „Die Liebe zum Nächsten“, sagte Rupert Neudeck neulich in der Radiosendung „radikal leben“, „ist ein universales Gesetz, nachdem wir alle leben sollen, und wenn wir es täten, würde die Welt anders sein“.
Die Bergpredigt lobt die Armut vor Gott, die Reinheit des Herzens, den Sinn für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Dadurch befreit sie von einer gefährlichen Denkweise, die eigenen Schwächen und Fehler gegen den Willen Gottes zu rechtfertigen mit der Härte des Alltags.
Die Bergpredigt wurde hie und da wohl auch missbraucht als billiger Trost angesichts der Armut des Volkes, das unterdrückt und ausgebeutet, oft ein kümmerliches Dasein fristete. „Opium für das Volk“ würde Karl Marx sagen. Eine in Leder gebundene Sozialenzyklika im Bücherschrank schafft nicht schon mehr Gerechtigkeit. Die Bergpredigt fordert Taten, besonders auch im sogenannten christlichen Abendland.
Eine „globale und digitale Revolution“ wird die Bergpredigt nicht erschüttern, aber uns Christen hoffentlich aufrütteln.
Frauen und Männer des geweihten Lebens bezeugen eine ganz persönliche Beziehung zu Christus. Das 2.Vatikanische Konzil unterstreicht die enge Beziehung zwischen geweihtem Leben und den Seligpreisungen. (LG Nr 31) Solches Vorbild auf dem gemeinsamen Weg zur Heiligkeit verdient höchste Anerkennung. Dennoch ist es nicht statthaft, die Grundwerte christlichen Lebens stellvertretend ihnen zu überlassen, um sich selbst an den Forderungen der Bergpredigt im Alltag vorbeizumogeln.
Die aktuelle Umbruchszeit bedarf einer „Revolution der Herzen“, ohne die eine Neuorientierung des katechetischen Weges und die notwendige Umkrempelung der Strukturen ihr Ziel nicht erreichen werden. Der Geist der Bergpredigt möge uns in den zukünftigen pastoralen Bemühungen neuen Schwung und viel Mut zur Erneuerung schenken. „Non abbiate paura“ stand auf einem kleinen Zettel, den ich in unserem Pfarrsaal gefunden habe. Fürchtet euch nicht!
(Quelle: Luxemburger Wort)