Flüsterkasten Gottes

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist sie mir eine wichtige Vertraute, denn auf sie kann ich mich verlassen. Unbemerkt im Hintergrund und mit dem Blick für das Ganze, kann sie komplizierte Situationen vorausahnen, fragende Blicke deuten und mir in meiner Sprachlosigkeit immer wieder das richtige Stichwort geben. Mit viel Geduld bringt sie unterschiedlichste Menschen und Charaktere wieder auf eine Linie, korrigiert Fehlentwicklungen und besticht durch ihre Motivationskünste.

Ach ja, es stimmt! Ich habe Ihnen meine liebe Vertraute noch gar nicht vorgestellt. Sie trägt den Vornamen Gaby, sitzt seit vielen Jahren anlässlich der Theatervorstellungen unserer „Fraen a Mammen Helleng / Fréiseng“ im Flüsterkasten und schafft es immer wieder, die Balance zwischen dem Originaltext und den selbstdarstellerischen Abweichungen der Akteure zu wahren.

Ich möchte jetzt aber die Welt des Theaters verlassen und zurückkehren auf die Bühne des Lebens. Auch dort bin ich stets auf einen Flüsterkasten angewiesen und in dem sitzt mitten in meinem Alltag der Heilige Geist. Um seine Kraft und Unterstützung beten die Christen am morgigen Pfingstfest.

Als Flüsterkasten Gottes und als Stimme des Gewissens mahnt er wichtige Korrekturen an, führt heraus aus den Sackgassen des Lebens und schenkt in der Sprachlosigkeit die richtigen Worte. Und als Anwalt des Lebens, als Seele der christlichen Gemeinschaften und als Lunge der Welt ist er mit seiner außergewöhnlichen Strahlkraft immer auf Sendung. Sogar mein Handy scheint von den positiven Botschaften des Geistes beseelt, denn beim Aktivieren erscheint auf dem Display die Botschaft: „Be inspired!“ Und die SMS-Botschaften des Heiligen Geistes sind immer positiv und zukunftsorientiert. Mein Handy nennt dann auch mehrere Möglichkeiten des Umgangs mit den Kurznachrichten des Geistes: „löschen“, „speichern“, „bearbeiten“, „antworten“, „senden“. Löschen ist keine Lösung und speichern ist zu wenig. Bearbeiten könnten wir die Impulse des Geistes und übersetzen in unsere Alltagssprache: Begeisterung, Freiheit, Freude, 
Friede, Gelassenheit, Hoffnung, Gotteserkenntnis, Glaube, Menschenfreundlichkeit, Wissenschaft, Intelligenz, Weisheit, Humor, Treue, Kommunikation, Heilung, Liebe, Ruhe, Mut, Öffnung, Selbstbeherrschung, Solidarität, Teamgeist, Selbstbeschränkung, Umkehr und Versöhnung. „Löscht (also) den Geist nicht aus!“ (1 Thess 5,19).

Dank der bestimmten Anleitung meiner Mutter „musste“ ich in meiner Kindheit an jedem Morgen mit dem nun folgenden Gebet die Inspiration des göttlichen Flüsterkastens erflehen: „Geist der Liebe und Stärke, hilf mir jeden Tag, weil ich aus mir selber nichts zu tun vermag. Lenke meine Hände, leite meinen Sinn, sei Du meine Leuchte stets im Herzen drin. Sag mir Stund‘ um Stunde diesen ganzen Tag, wie ich Gott, dem Herrn, wohlgefallen mag. Dann mag jeder Abend bringen wahre Ruh, bis mich führt mein letzter meinem Heiland zu! Amen“

Keine Fußballmannschaft, keine Familie, keine Gesellschaft, keine Politik, kein Europa, kein Weltbürgertum und keine Kirche funktioniert ohne die Kraft und die Inspiration des Heiligen Geistes. „Komm, Heiliger Geist, ohne Dich lesen wir Bücher und werden nicht weise, ohne Dich reden wir lange und werden nicht eins. Ohne Dich sehn wir nur Fälle, Zahlen und Fakten und ohne Dich zerfällt unser Leben in eine Reihe von sinnlosen Tagen. Ohne Dich werden wir treulos und ohne Dich endet unser Denken im Wahnsinn. Ohne Dich werden die Kirchen Museen und ohne Dich wird unser Beten zum Geschwätz. Komm, Heiliger Geist, denn unsere Leere schreit nach Deiner Fülle!“