lb fr pt en de
Jahr A (2022-2023)  
7. September 2023

Vom aufrichtenden Rettungsring und dem Fallbeil des Gesetzes

Kommentar zum 23. Sonntag im Jahreskreis von Karsten Steil-Wilke (10.9.2023)

Wer im Urlaub jetzt am Meer oder anderen Gewässern in einem Boot unterwegs war, ist dort sicher den runden, rot-weiß-roten Rettungsringen begegnet. Im Notfall sollen sie das Überleben der Menschen auf dem Schiff garantieren.
Es gibt drei grundlegende Werte für eine christliche Gemeinde: Erstens, Jesus Christus, der aus Liebe gestorbene und auferstandene Retter der gesamten Schöpfung als Orientierung und Richtmaß in die Mitte zu stellen, zweitens aus dieser Liebe heraus sich für das leibliche und seelische Wohlergehen unserer Mitmenschen mitverantwortlich zu fühlen und drittens, zu versuchen, die Werte unseres Handelns im weltlichen, oft in nicht christlich gebundenen Kontexten, zu bezeugen und plausibel zu machen.
In der Ersten Lesung aus dem Buch Ezechiel im 33. Kapitel im Vers 8 wird die Einhaltung der Kultischen Gesetze der Juden als Richtschnur verstanden dafür, ob jemand nach seinem irdischen Leben bei Gott gelangen kann oder nicht. Sünde ist dort das bewusste und dauerhafte Abwenden von Gott und seinen Gesetzen. Die gläubigen Mitmenschen nimmt Jahwe im Buch Ezechiel aber hier in Mitverantwortung, böse formuliert könnte auch von ’in Geiselhaft nehmen’ gesprochen werden. Wer aber die Abwendung seines Mitmenschen von Gottes Gesetz wahrnimmt und sich nicht auch um dessen Seelenheil sorgt, gefährdet dann auch seine eigene Errettung mit seiner Sorglosigkeit. Eine sehr spezifische und eigene Betrachtung der Nächstenliebe.

Im Römerbrief im 13. Kapitel präzisiert Paulus aber die neue christliche Haltung mit der das geschehen soll. In Liebe und Respekt vor dem anderen und Empathie, also Mitgefühl, vor seiner Person und Situation. Es wird eben nicht dem Denunziantentum und dem blinden orthodoxen Gesetzesgehorsam Tür und Tor geöffnet. Paulus ist hier weniger rubrizistisch als das Buch Ezechiel und formuliert das auch anders, etwa im Vers 10: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“

Es geht also nicht darum, dem Mitmenschen das Gesetzbuch um die Ohren zu schlagen. Jeder ist gehalten, sich die Mühe zu machen, die christlichen Grundwerte in unsere Zeit und jede Situation hinein angemessen auszulegen. Es gibt keine einzige für alle Zeiten gültige alleinige Auslegung dieser Werte, aber eben auch keine Beliebigkeit. Einigendes Richtmaß sollte die konsensfähige und einende Liebe zu Gott und den Menschen sein.
Gerade in unseren Zeiten der scheinbar abnehmenden allgemeinen gemeinwohlorientierten und einenden Diskurs- und Kommunikationsfähigkeit ist es wohl vor allem die Attitude, wie wir für unsere Werte eintreten, die das christliche Proprium herausstellen sollte. Dazu gehört wahrscheinlich vor allem Demut, Dialogfähigkeit und auch den Mut, zwischen den Stühlen zu stehen oder zu sitzen - im zusammenführenden und einenden Sinn.

Das christliche Auftreten sollte nichts von ethischem Fallbeil, mangelnder Empathie oder Abgehobenheit haben. Im Matthäus-Evangelium kommt die strikte Abwendung vom Irrenden oder Sünder erst in der dritten Etappe zum Tragen, wenn alles andere nicht gefruchtet hat. Christenmenschen sollten aufrichtendes und Zukunft vorbereitendes Verhalten als genuin christlich bezeugen und nicht den Mitmenschen mit ihrem Gesetzesgehorsam hinrichten und Spaltungen hinterlassen. So könnten wir durch unser Auftreten diskret auf den für uns kommenden Retter hinweisen und so zu einenden Rettungsringen in unserer oft unversöhnlichen und unbarmherzigen Gegenwart werden.

Karsten STEIL-WILKE
karsten.steil@cathol.lu
 
Ä e r z b i s t u m    L ë t z e b u e r g   .   A r c h e v ê c h é   d e   L u x e m b o u r g    .   
YouTube
SoundCloud
Twitter
Instagram
Facebook
Flickr
Service Kommunikatioun a Press . Service Communication et Presse
Äerzbistum Lëtzebuerg . Archevêché de Luxembourg

© Verschidde Rechter reservéiert . Certains droits réservés
Dateschutz . Protection des données
Ëmweltschutz . Protection de l'environnement
5 avenue Marie-Thérèse
Bâtiment H, 1er Étage
L-2132 Luxembourg
+352 44 74 34 01
com@cathol.lu