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Bicher-Rezensiounen . Recensions de livres  
27. August 2018

Carlo Maria Martini: Gott spricht durch sein Handeln. Warum wir von einem anderen Leben träumen dürfen

Religiöses Buch des Monats September

Haben wir nicht alle irgendwie den Traum von einem besseren Leben? Oder ist das unreif und sentimental – müssen wir uns nicht vielmehr mit diesem Leben so, wie es nun einmal ist, abfinden und anfreunden? Man könnte wohl lange über diese Frage streiten, für Carlo Maria Martini ist aber klar: Gott selbst hat den Traum von einer anderen Welt, so dass auch wir „von einem anderen Leben träumen dürfen“. Zu dieser Gewissheit gelangt der frühere Erzbischof von Mailand, indem er die Tätigkeitswörter untersucht, durch welche Gott in der Bibel charakterisiert wird. Dann sieht man: Es gibt einen Traum Gottes von einer anderen Welt, dem „Reich Gottes“, dafür stehen die Handlungen Gottes und die Wunder Jesu.

Kardinal Martini, der 2012 starb, hatte nach seiner Zeit als Erzbischof von Mailand lange in Jerusalem gelebt, hier hielt er im Jahr 2007 auch diese Exerzitien über die „Verben Gottes“, die nun erstmals veröffentlicht werden. In der Heiligen Schrift wird Gott vor allem durch sechs Tätigkeitswörter charakterisiert: Zu diesen sechs Verben führt Kardinal Martini ausgewählte Bibelstellen an, erläutert sie und gibt dazu Impulse, was das für unser persönliches Leben bedeuten könnte und sollte.

Alles beginnt natürlich mit dem Verb: Gott erschafft. Er erschafft aber nicht nur, indem er aus dem Nichts die Welt ins Dasein ruft, sondern indem er auch fortdauernd in der Welt handelt, um aus dem Chaos Ordnung, Gerechtigkeit, Frieden und Harmonie zu schaffen. Ganz wichtig ist Carlo Maria Martini das zweite biblische Tätigkeitswort Gottes: Gott verheißt. Von Abraham an spricht die Bibel ununterbrochen von der Verheißung Gottes. Gott nimmt so an der Geschichte des Menschen Anteil, und er erneuert seine Verheißung immer wieder, gerade auch in scheinbar ausweglosen Situationen. Aber warum erfüllt sich diese Verheißung niemals hier und jetzt, sondern erst nach unserem Tod? Martini ist im Lauf seines Lebens zur Einsicht gekommen: Wenn es den Tod nicht gäbe, wären wir niemals gezwungen, uns ganz und gar auf Gott zu verlassen, wir würden nie das Wagnis eingehen, uns ihm ganz anzuvertrauen – nur darin aber können wir die Erfüllung finden.

Interessant sind die Überlegungen von Kardinal Martini zum Zusammenhang zweier Tätigkeitswörter Gottes: Gott befreit. Er gebietet aber auch. Wie ist das möglich? Gott befreit den Menschen – von der Sünde, von jeder Situation der Knechtschaft und der Ausbeutung. Schaffen die Gebote aber nicht eine neue Situation der Unfreiheit? Nicht, wenn man versteht, dass es keine individuellen, sondern kollektive Gebote sind. Die Gebote sollen einer Gemeinschaft ein harmonisches Miteinander ermöglichen, sie engen den Menschen darum nicht ein, verschaffen ihm vielmehr eine größere Freiheit.

Und auch die weiteren beiden Handlungsweisen Gottes hängen eng miteinander zusammen: Gott sorgt für uns – weil er uns liebt. Gottes Liebe ist letztlich der Grund für all sein Handeln, das bezeugt die Heilige Schrift immer wieder. Gemessen an dieser Liebe Gottes erscheint dann die „normale“ menschliche Liebe oft als eher egoistisch und vereinnahmend. Letztlich wird aber Gott selbst all unsere unvollkommenen Formen der Liebe in seine Vollkommenheit hineinführen.

„Alle Verben, die das Gotteshandeln bezeichnen, lassen uns das Antlitz eines Gottes erkennen, der nicht außerhalb der Welt und fern von ihr ist, sondern ganz konkret Anteil an ihr nimmt.“ (137) In der jüdischen wie christlichen Spiritualität geht es deshalb immer um eine liebevolle und aufrichtige Antwort auf diese Aufmerksamkeit, die Gott uns schenkt. Das vermittelt Carlo Maria Martinis postumes Buch auf eindrucksvolle Weise. (Sankt Michaelsbund)

Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der Sankt Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.

 
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