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Justice et Paix Luxembourg  
14. November 2018

Ermutigung zum Kampf gegen Armut und für mehr Nachhaltigkeit

Justice et Paix zu den Herausforderungen der kommenden Legislaturperiode

Justice et Paix Luxembourg hat im Vorfeld der legislativen Wahlen zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte in Luxemburg über den Wert der Demokratie aufgerufen um so das Wahlrecht als Ausdruck einer demokratischen Errungenschaft zu stärken.

Die luxemburgische Kommission Justice et Paix setzt sich weiterhin aus christlicher Verantwortung für die Bereiche Gerechtigkeit, Frieden, Erhalt der Schöpfung und Menschenrechte ein. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den von Marginalisierung Bedrohten und den Herausforderungen einer verantwortlichen Zukunftsgestaltung für kommende Generationen. Eine zentrale Frage stellt sich in dieser Hinsicht: Wird die Politik in den kommenden fünf Jahren hierzulande und über unsere Grenzen hinaus einen Beitrag zu einer nachhaltigeren, gerechteren und menschenwürdigeren Welt leisten?

In diesem Sinne rufen wir die politischen Verantwortlichen auf, bei der Politikgestaltung im Allgemeinen und bei der Aufstellung eines Regierungsprogrammes im Besonderen, überprüfbare Indikatoren und Prüfsteine vorzulegen, die diesen An- und Herausforderungen entsprechen. Dabei gilt es besonders auf die Kohärenz zwischen unterschiedlichen Politikfeldern zu achten.

Trotz – oder gerade wegen – der bisherigen Wachstumszuwächse des Bruttosozialproduktes steht eine politische Agenda an, die mit zwei Zahlen zu tun hat, die eng mit Zukunft und Lebenschancen heutiger und künftiger Generationen zusammenhängen.

Zahl 1: Es bräuchte 7 Erden, um über die notwendigen Ressourcen zu verfügen, wenn weltweit jeder so leben würde wie in Luxemburg [1].

Diese Zahl wirft die Frage nach den konkreten Auswirkungen unserer Produktionsmuster und Verbrauchsgewohnheiten hierzulande auf.

Die anspruchsvollen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030, auf die sich die Vereinten Nationen geeinigt haben, verlangen eine globale sozial-ökologische Transformation von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – auch in Luxemburg. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Bei unserer Wirtschafts- und Handelspolitik müssen auch deren Auswirkungen auf die Biodiversität oder Arbeit in Würde sowohl im In- als auch im Ausland berücksichtigt werden.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde in der Vorwahlzeit der dritte nationale Nachhaltigkeitsplan für Luxemburg vorgestellt. Die damit verbundene Agenda 2030 muss in allen Politikfeldern und Ministerien umgesetzt werden; dabei ist sicherzustellen, dass entsprechende Indikatoren von einer zuständigen Instanz evaluiert werden.

Es gibt eine Reihe von dringlichen Herausforderungen wie der Klimawandel oder die Mobilitätsfrage. An dieser Stelle möchten wir drei konkrete Herausforderungsfelder benennen, die sich in einem Regierungsprogramm im Bereich der Agenda 2030 konkretisieren sollen:

Ein Nachhaltigkeitscheck soll für Großprojekte und den damit verbundenen Gesetzgebungen eingeführt werden, um eine sinnvolle Kosten-Nutzen-Rechnung durchzuführen. Projekte und Vorhaben sollen dabei sowohl auf ihre „ökologische Tragfähigkeit“, den „Bedürfnissen und einem gutem Leben“ der einheimischen Bevölkerung als auch auf deren sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen im Bereich „Globalisierung“ analysiert werden (siehe Baden-Württemberg).

Im Bereich Finanzen ist der ökologische und soziale „Fußabdruck“ Luxemburgs weltweit enorm. „Sustainable Finance“ ist bislang nicht die Norm, sondern nur ein Nischenelement, da „94% der Investmentfonds in Luxemburg bislang von Klimaschutz-, Nachhaltigkeits- und Transparenzanforderungen unbehelligt“ [2] bleibt. Als weltweit zweitgrößter Standort für Investmentfonds muss Luxemburg als globales Finanzzentrum Verantwortung in Sachen Nachhaltigkeit und Menschenrechte übernehmen.

Im nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (Juli 2018) hat die Regierung ihre klare Erwartung formuliert, dass Unternehmen die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht (due diligence) einhalten und entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten auf Menschenrechte achten. Durch eine gesetzliche Verankerung dieser Sorgfaltspflicht kann sichergestellt werden, dass die gesamte Wertschöpfungskette und unternehmerische Aktivitäten auf tatsächliche oder mögliche Verletzungen von Menschenrechten oder negative Folgen für die Umwelt überprüft wird.

Zu den prioritären Handlungsfeldern des nationalen Nachhaltigkeitsplans für Luxemburg gehört auch die soziale Inklusion, damit eine sehr breite Basis der Bevölkerung an der Gesellschaft teilhaben kann. Dies führt zu der nächsten aussagekräftigen Zahl, die es zu berücksichtigen gilt bei einem Regierungsprogramm:

Zahl 2: Fast jeder fünfte Einwohner Luxemburgs ist von Armut bedroht [3].

Zwei Tage nach den Wahlen präsentierte der Statec Zahlen, die deutlich aufzeigen, dass im „reichen“ Luxemburg 18,7 Prozent der Bevölkerung (2017) von Armut bedroht sind. Das bisherige Wachstum kam vor allem den Reichen zugute, denn die Schere zwischen Arm und Reich geht auch in Luxemburg immer weiter auseinander. Während die zehn Prozent der ärmsten Menschen zusammen drei Prozent aller Löhne verdienen, sind es für die zehn Prozent der Reichsten 24 Prozent.

Besonders Alleinerziehende, allen voran Frauen, riskieren in Luxemburg schnell in die Armut zu geraten. Erschreckend ist zudem, dass das Kinderarmutsrisiko sich auf 22,8 Prozent beläuft. Ausländer, die in Luxemburg leben, sind doppelt so stark von der Armut bedroht als Luxemburger. Ein Hauptgrund für das steigende Armutsrisiko sind die ungebremst steigenden Wohnkosten. Bei Mietern mit geringem Einkommen verbleibt nach Abzug der Wohnungskosten noch ein „Resteinkommen“ von 47 Prozent des Budgets, Tendenz fallend seit 2012 (minus 16%).

Hier wird es insgesamt nicht genügen, den Mindestlohn anzuheben oder wie bislang auf soziale Transfers zu verweisen, sondern es gilt ein gesamtpolitisches Konzept zu entwerfen, damit Menschen in Würde arbeiten und leben können. Maßnahmen zum Erhalt der sozialen Kohäsion müssen in diesem Kontext ebenfalls ergriffen werden.

Der starke Anstieg von Mietkosten und Grundstückspreisen hat auch als Konsequenz, dass immer mehr Menschen in die benachbarten Grenzregionen „auswandern“. Hierbei darf nicht ausgeblendet werden, dass dieses fehlende Angebot an bezahlbaren Wohnungen zu hohen Einkommenszuwächsen von einigen wenigen führt.

Abschließend gilt es darauf hinzuweisen, dass die Situation von einer Bevölkerungsgruppe von Menschen, die sich ohnehin in einer prekären Lage befindet, in dem Statec Bericht nicht beleuchtet wird: Wie sieht die Situation von Flüchtlingen aus, die bisweilen in sehr schwierigen Bedingungen leben?

Justice et Paix Luxembourg hat in dieser Hinsicht gemeinsam mit anderen christlichen Organisationen (Reech eng Hand, Caritas,…) auf eine Reihe von strukturellen Verbesserungen hingewiesen, die es gilt im Hinblick auf die Lebenssituation von Flüchtlingen vorzunehmen.

Umverteilungen werden unumgänglich sein

Im Hinblick auf beide oben genannte Zahlen im Bereich Nachhaltigkeit und Armutsrisiko hierzulande muss eine soziale und ökologische Umverteilungsgerechtigkeit stattfinden. Bei einer ökologischen Umverteilungsgerechtigkeit geht es auch um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen von Menschen in anderen Teilen der Welt und darüber hinaus um die (Lebens-)Chancen künftiger Generationen. Nur so kann es gleichzeitig gelingen, die Armutsgefährdung wirksam zu bekämpfen und Nachhaltigkeit zu fördern.

Justice et Paix Luxembourg ist der Auffassung, dass es kein blindes Wachstum geben darf, sondern dass es einer sozial-ökologischen Transformation auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft bedarf.

 
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