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Jahr B (2020-2021)  
26. März 2021

Die Feuertaufe der Liebe

Wort zum Palmsonntag von Mathias Schiltz (28.3.2021)

Wie eine Medaille hat auch die Liturgie von Palmsonntag zwei Seiten. Eingangs wird an den triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem erinnert. Doch Jesus weiß, was ihm bevorsteht. Jerusalem ist die Stadt, die die Propheten tötet (vgl. Mt 23,37). Sechs Tage später wird sich in der Menge das Geschrei erheben: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn“ (Mk 15,13-14). So wird der Palmsonntag zum Eingangstor der Kar-Woche, der Woche der Klage, des Kummers, der Trauer, die in der Messfeier mit der Lesung der Leidensgeschichte – heuer nach Markus – jäh anhebt.

In der 2. Lesung der Messe stellt uns der Christushymnus aus dem Philipperbrief (2,6-11) das Geschehen dieser einzigartigen und für unsere Erlösung einmalig entscheidenden „Großen Woche“ gerafft und tiefgründig vor Augen. Es geht um Erniedrigung bis zum Sklavendienst, ja bis zum Kreuzestod inmitten zweier Kapitalverbrecher; es geht um Entäußerung, Entleerung seiner selbst bis zur Hingabe in den Tod. Im Tun und Erleiden des Herrn kommt die Liebe zu ihrer höchsten Erfüllung. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh 15,13). Darum wurde er über alle erhöht. „Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass ICH ES BIN“ (Joh 8,24; vgl. Ex 3,14).

Die Leidensgeschichte, ja das ganze Evangelium nach Markus gipfelt im Bekenntnis des römischen Hauptmanns unter dem Kreuz. Hier wird das messianische Geheimnis entschlüsselt: Wer ist Jesus? „Als der Hauptmann ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39). Die Liebe bis zum Letzten hat den Römer überwältigt.

In der Letzthingabe des Sohnes enthüllt sich auch das Antlitz, ja das Herz des Vaters. „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,16), nichts als Liebe, Liebe, die sich aus der Überfülle uneingeschränkt und unaufhaltsam verströmt, verschenkt und in seinem überreichen Erbarmen gar verschwendet. Namhafte Theologen aus Ost und West, orthodoxe wie katholische, meinen, dass Entäußerung – Kenosis – ein in der Tiefe des göttlichen Wesens verankertes Merkmal ist. In ihrem Gefolge schreibt die französische Philosophin und Mystikerin Simone Weil (1909-1943): „Die Schöpfung ist vonseiten Gottes nicht ein Akt der Ausweitung, sondern des Rückzugs, des Verzichts … Er hat sich bereits in diesem göttlichen Akt von einem Teil des Seins entleert …“. Und indem Gott dem Menschen den Vertrauensvorschuss des freien Willens gewährte, habe er sich gar eines Anteils seiner Allmacht begeben.

An diesen Gott der unüberbietbaren Liebe und Güte, der unwiderruflichen Zuwendung in Zärtlichkeit, Mitleid und Mitleiden, kann ich glauben. Ihm kann ich trauen und vertrauen. Auf ihn kann ich hoffen – trotzdem – wider alle Hoffnung. Es ist der Gott – wie Blaise Pascal in seinem „Mémorial“ bekennt – „nicht der Philosophen und Gelehrten, sondern der Gott Jesu Christi“. Christus, der Sohn „der am Herzen des Vaters ruht“ (Joh 1,18), hat ihn durch die Feuertaufe der Liebe bekundet und bezeugt, so dass wir an Gott glauben und auf ihn hoffen können (vgl. Petr 1,21). „Glauben an einen Gott, der uns liebt, dazu hätten wir nie den Mut, würden wir Jesus nicht kennen“ (Papst Franziskus, Mittwochskatechese vom 3.3.2021).

In seiner selbstlosen, überschwänglichen Ganzhingabe ist Christus, der Gekreuzigte und Erhöhte, Gottes letztgültige Offenbarung. In ihm hat Gott sein letztes Wort gesprochen: ein Wort unverbrüchlicher Liebe.

Du Wort, das der Vater spricht,

behältst deine Gottheit nicht

als Beute und Raub,

du springst in den Staub:

Du Leben, du Licht

wirst Mensch, der zerbricht,

da fließen die lebenspendenden Wasser

des Heils.

(Kirchliches Stundenbuch)

Mathias SCHILTZ
mathias.schiltz@cathol.lu
 
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