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Jahr C (2015-2016)  
9. Juli 2016

Die Nächsten

10.07.2016

Lk 10,25-37

Im Evangelium steht erneut die Konfrontation des Gesetzeslehrers mit Jesus im Blickpunkt. Vielleicht würden wir heute sagen die Begegnung Jesu mit dem Pedanten, dem Paragrafenreiter, dem ewigen Besserwisser. Der Gesetzeslehrer versucht, Jesus erneut zu diskreditieren. Folglich stellt er ihm nicht irgendeine nebensächliche Frage, sondern die Glaubensfrage schlechthin: „Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“

Jesus lässt sich aber nicht aufs Glatteis führen. Er geht mit dem Mann des Formalen eben dorthin zurück. „Was steht im Gesetz?“ Dieser antwortet Jesus, indem er das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe aus dem Tanach, der Jüdischen Heiligen Schrift, zitiert. Der Gesetzeskundige merkt, dass Jesus ihn hat ins Leere laufen lassen und setzt nach: „Wer ist mein Nächster?“ Darauf erzählt Jesus das berühmte Gleichnis vom „Barmherzigen Samariter“. „Geh – handle-barmherzig-leben“. Die aktivierende und auffordernde Antwort Jesu besteht aus diesen Wortfeldern. „Handeln“ kommt in Jesu Antwort sogar dreimal vor.

In die Sprache unserer Tage übertragen, könnte eine Antwort heißen: „Geh und handle genauso barmherzig, und du wirst Leben erlangen, das stärker ist als der Tod!“ Gesetz und Barmherzigkeit scheinen hier unversöhnlich nebeneinanderzustehen. Auch für uns bleibt dieser Text provokant bis heute. Entkoppelt er doch die Rettung des Menschen vom (buchstabengetreuen) Glauben einer bestimmten und einzigen Religion. Die Juden sahen die Samaritaner zwar als religiöse Verwandte an, verachteten sie aber, schauten auf sie herab und hassten sie. Es war ausgeschlossen, sie als „Nächste“ anzusehen.

Bis heute bleibt es eine Provokation für alle Gläubigen, auch Christenmenschen, die Christsein auf Liturgie, Riten, Tugenden und bürgerliches Wohlverhalten beschränken. Für sie sind der umgesetzte Glaube des Papstes Franziskus, der „Wahrheit“ in der Weitergabe der selbst erfahrenen Liebe Gottes zum Menschen und zum Kosmos an die Gescheiterten, Gestrandeten und Stinkenden und „seitlich Umgeknickten“ (Konstantin Wecker) in den Bruchbuden, den Müllkippen und seelischen Wracks unserer Tage sieht, Abwege und Irrungen.

Gegen sie spricht, dass das Johannesevangelium die Fußwaschung, das Bild des selbstlosen Dienstes par excellence, sogar an die Stelle des Abendmahles stellt und das Konzilsdokument „Nostra Aetate“ auch Andersgläubigen einen „Strahl der Wahrheit“ zuerkennt. Ich kann es drehen und wenden, wie ich will: Berufe ich mich auf den Mann aus Nazareth, stelle mein Christsein ins Schaufenster, und gehe aber an den Bruchstellen unserer Tage, die Menschenleben und mittlerweile die gesamte Schöpfung in Gefahr bringen, vorüber, dann wird es möglicherweise nichts mit dem „Leben über den Tod“ hinaus. Jesu Botschaft ist einfach, verständlich, abstoßend – aber klar. Gott sei Dank!

Die Barmherzigkeit steht im Vordergrund, und es wird auch niemand überfordert. Es bleibt aber fragwürdig, mich im Grenzüberschreiten schon vorab vorbeugend selbst zu unterfordern.

Quelle: Luxemburger Wort

 
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