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Jahr C (2021-2022)  
26. August 2022

Freund, rücke weiter hinauf!

Kommentar zum 22. Sonntag im Jahreskreis von Claude Bache (28.8.2022)

Ist das Evangelium, das an diesem Wochenende in unseren Kirchen verkündet wird (Lk 14,1.7-14), wirklich noch aktuell? Heute drängen sich die Gäste nicht mehr so sehr um die Ehrenplätze. Man gibt sich lieber vornehm zurückhaltend. – Aber sind Sie schon einmal in der Verlegenheit gewesen, die Sitzordnung einer Hochzeits- oder sonstigen Festtafel zu organisieren? „Mit wem hast du mich da zusammengesetzt?“ So mancher Gastgeber fürchtet sich davor, eine derartige Sitzordnung ausbalancieren zu müssen.

Nicht nur an dieser Stelle hat unser Evangelium doch seine Bedeutung behalten. Auch im tagtäglichen Umgang spielen das Ansehen und der äußere Schein eine größere Rolle, als es offen eingestanden wird: „Was sollen denn die Leute denken?“ Wie oft haben das schon so manche Kinder zu hören bekommen. Die Ansprüche und die Stellung müssen gewahrt bleiben: innerhalb der Firma, der Familie, im Dorf.

So ist unser Evangelium doch bis auf den heutigen Tag aktuell geblieben. Mir kommt dazu ein Satz aus dem geistlichen Tagebuch des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Dag Hammarskjöld in Erinnerung: „Dich ekelt vor Schmeicheleien, aber wehe, wenn einer deinen Wert nicht erkennt!“

Jesus gerät also in eine vornehme Pharisäergesellschaft hinein. Und er stößt dort auf die bekannte Haltung: ein ganz offensichtliches Gerangel um die Ehrenplätze. Die Pharisäer trugen das wenigstens noch offen und ehrlich und nicht so versteckt aus wie wir. Und so nimmt Jesus das zum Anlass und will ihnen eine Lehre erteilen. Er mischt sich ein und packt sie genau an der für sie empfindlichen Stelle, bei ihrem Ansehen. Wer hat nicht die Peinlichkeit einer Degradierung vor aller Augen schon einmal miterlebt oder gar selbst schmerzlich erfahren? Jesu häufig wiederkehrendes Wort bewahrheitet sich da offensichtlich: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt“ (Lk 14,11). Und Jesus gibt zugleich einen provozierenden Rat: „Wenn du ein Fest ausrichtest, so lade nicht nur deinesgleichen oder gar die Prominenz ein, sondern umgib dich lieber mit Armen, Krüppeln, Blinden und Lahmen“ (vgl. Lk 14,12f.). Durchbrich die endlose Kette von Einladung und Gegeneinladung. Stell dich lieber auf eine Stufe mit den Armen und Kleinen, denn so klein bist du wirklich vor dem großen Gott. Das ist die alte, in unserer Zeit so oft vergessene Tugend der Demut, die in den Augen Gottes gerecht und unter den Menschen geschwisterlich macht.

Ich denke, das kann, darf und muss auch Auswirkungen auf uns, in der Gemeinschaft der Christen haben: Gott sei Dank haben wir in unseren Kirchen nicht mehr die Prominentenbänke mit blank polierten Reservierungsschildern. Vor Gott sind wir alle gleich arm und reich, gleich armselig und vornehm. Wir alle sind Jesus als Gäste willkommen. Für alle hält er einen Ehrenplatz bereit. Zu jedem spricht er: „Freund, Freundin, rück weiter hinauf“ (vgl. Lk 14,10).

Claude BACHE
 
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