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Jahr B (2020-2021)  
28. Oktober 2021

Das größte Gebot

Kommentar zum 31. Sonntag von Claude Bache (31.10.2021)

Gelten die alttestamentlichen Gebote auch für Christen? Hat sich mit Jesus nicht alles so radikal verändert, dass man nur noch auf ihn hören muss?

So oder ähnlich werden auch die Menschen gefragt haben, die Jesus begegnet sind und seinen Predigten zugehört haben. Manch kritisches Wort über die bewährten und bekannten Gebote war dabei. Ist mit Jesus nicht etwas radikal Neues angebrochen, mit dem die Traditionen beendet sind?

Das Evangelium des kommenden Sonntags (Mk 12,28b-34) zeigt eindrucksvoll auf, wie Jesus mit den Traditionen und Geboten umgegangen ist, die ihn als Juden selbst geprägt haben. In seiner Predigt treten die kultischen Gesetze in den Hintergrund, aber die ethischen Weisungen werden verschärft – auf diese Formel kann man die Ethik Jesu bringen. Äußerliche Rituale und Vorschriften werden zugunsten Gottes und des Menschen zurückgenommen.

Das Schulgespräch über das höchste Gebot, das im Kontext der Jerusalemer Streitgespräche zu finden ist, ist ein Gespräch zwischen zwei Experten in Sachen Schriftauslegung: Jesus und ein Schriftgelehrter sprechen über die Wichtigkeit der Gebote. Jesus zitiert dabei das „Shemá Israel“, das Gebot der Gottesliebe aus dem Deuteronomium als wichtigstes Gebot (vgl. Dtn 6,4f.). Darin findet er die Zustimmung seines Gesprächspartners. Aber ein zweites Gebot fügt er hinzu, das an anderer Stelle des Alten Testamentes, im Buch Levitikus, steht: das Gebot der Nächstenliebe (vgl. Lev 19,18). Jesus kombiniert Bibelstellen und hier Gebote miteinander, wie es jeder jüdische Schriftkundige in seiner Zeit getan hat.

Das Streitgespräch endet mit vertauschten Rollen: Aus dem fragenden Schriftgelehrten, der Jesus testen wollte, ist ein Schüler geworden; aus dem zu testenden Schüler ist ein Lehrer geworden, der seinen fragenden Schüler bewertet. Neu an der Botschaft Jesu ist, dass Gottes- und Nächstenliebe zu einem Doppelgebot werden: Nur wer von Gott geliebt ist und ihn liebt wie sich selbst, ist in der Lage, seinen Nächsten zu lieben. Gott und den Nächsten lieben ist wichtiger als kultische Schlachtopfer – so sieht es auch der Schriftkundige.

Eine Revolution der Liebe – das ist die Botschaft Jesu. Liebe wird zum Maßstab aller anderen Gebote und Traditionen. Die Ethik Jesu ist damit keine Neuerfindung, sondern eine Konkretisierung und Radikalisierung des Judentums.

Offensichtlich, so lassen uns die Abschlussverse des Evangeliums erkennen, geht es bei diesem Thema um etwas ganz Wichtiges. „Du bist nicht fern vom Reich Gottes“, sagt Jesus dem Fragesteller. Wir reden also nicht über eine Beiläufigkeit; wir bewegen uns dort, wo es um unsere Gottesbeziehung und um unser Verhältnis zu den anderen Menschen geht.

Die Frage, ob die Gebote des Altes Testamentes für uns Christen noch gültig sind, kann jeder selbst für sich beantworten.

Claude BACHE
 
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