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Jahr B (2020-2021)  
24. September 2021

Ein Becher Wasser

Kommentar zum 26. Sonntag von Winfried Heidrich (26.9.2021)

Ein Becher Wasser

Im ersten Teil des heutigen Sonntagsevangeliums von Markus stellen die Jünger die Frage der Zugehörigkeit zu Jesus. Sie wollen jemanden daran hindern, Dämonen auszutreiben, “weil er uns nicht nachfolgt.” Also weil er nicht zu ihnen gehört. Jesus erwidert ihnen: “Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört, amen, ich sage euch, er wird nicht um seinen Lohn kommen.” In der Sprache der Evangelien ist mit “Lohn” in den Himmel kommen gemeint. Zugehörigkeit - also eine(r) von uns zu sein - wird in den Augen Jesu über die menschliche Handlung gestiftet und nicht in erster Linie über die Mitgliedschaft zu einer Gruppe.

Zu etwas zu gehören gibt Menschen Identität und schließt dabei oft gleichzeitig andere Menschen aus. In einer immer offeneren und digital zugänglichen Welt werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Menschen - wie Hautfarbe, Herkunft, Religion, Sexualität oder Alter - neu bewertet und anders gelebt. Oft werden jedoch andere Sichtweisen schon abgewehrt, bevor sie sich erst einmal zeigen konnten. Sie könnten ja ansteckend sein. Wenn andere Menschen ihre Sexualität oder ihre Religion unkonventioneller leben, kann das meine Lebenspraxis in Frage stellen, derart, dass ich mir meiner selbst nicht mehr sicher bin. Das, was bisher eindeutig war, wird mehrdeutig, will neu gesehen werden.

So wird heute leidenschaftlich um eine gendergerechte Sprache gerungen. Aus Mitarbeitern werden in Texten Mitarbeiterinnen und Männer dürfen sich zur Abwechslung zwischen den Zeilen mitgemeint fühlen. Oder das öffentliche Kopftuchtragen muslimischer Frauen bringt feministische Sichtweisen in Gegnerschaft. Ist das Tragen eines Kopftuches Zeichen von Freiheit oder von Bevormundung? Und die Bewegung “Maria 2.0” fordert in ihrer ersten von sieben Thesen die Priesterweihe für Frauen: “In unserer (katholischen) Kirche haben alle Menschen Zugang zu allen Ämtern.

Wer gehört zu uns? Der “Katechismus der Katholischen Kirche” aus dem Jahr 1997 stellt Lehre und Glauben der Kirche verbindlich dar. In 2865 Punkten zu Themen wie Sünde, Gebet, Wahrheit, Weihe oder Sexualität gibt der Katechismus allen Katholiken überall auf der Erde quasi ferngesteuert aus dem Vatikan eine Einparkhilfe für religiöse und sittliche Standpunkte. Es ist eine kontextlose Katechese von oben. 2005 gibt der Verfasser, nunmehr selber Papst, eine Kurzfassung des Katechismus heraus, nicht weniger fern der Menschen und weiterhin religiös rigide. Auch der gekürzte Text bleibt schon von seinem Volumen her Ausdruck religiöser Entmündigung.

Wer gehört zu uns? Ein Glas Wasser stiftet Zugehörigkeit. In dieser wesentlichen Geste faßt Jesus alle religiöse und sittliche Orientierung zusammen. Es ist die Haltung einfacher Menschlichkeit, die sein ganzes Leben durchzieht. Zugleich konterkariert Jesus alle Regeln, die Zugehörigkeit festschreiben, beziehungsweise er bringt sie mit dem Symbol des Becher Wassers zum Fließen. Aus Buchstaben wird wieder Tinte. Womöglich Tinte für kleine Texte von unten. Das Reichen eines Glases Wasser ist eine Geste im Hier und Jetzt. Ein Glas Wasser geben und annehmen - hier im Evangelium von einem aus einer anderen Gruppe - ist eine bejahende Geste gegenüber Fremden und der Vieldeutigkeit der Welt. Wasser ist das Symbol für Durst, den Menschen immer haben, physisch, sozial, spirituell. Durst nach Sinn, Geselligkeit und Trost.

Winfried HEIDRICH
 
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