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Bicher-Rezensiounen . Recensions de livres  
30. Januar 2023

Stephan Wahl: Erwarte von mir keine frommen Sprüche. Ungeschminkte Psalmen

Religiöses Buch des Monats Februar 2023

Er könne nicht mehr beten, schrieb Jörg Meyrer, Pfarrer von Bad Neuenahr, einige Tage nach der Flutkatastrophe von 2021. „Die vertrauten Worte passen nicht mehr.“ Könnte es sein, dass das auch für andere Situationen gilt? Dass die vertrauten Worte ihre Kraft verlieren und auch das Beten in eigenen Worten schal wird? Für diesen Fall erweisen sich die Psalmen von Stephan Wahl als großer Schatz.

Den Anfang machte der „Ahr-Psalm“, den er nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 schrieb. Wahl, der in Jerusalem lebt, stammt von der Ahr-Mündung und kennt entsprechend viele Menschen, die von der Flut betroffen sind; ein Verwandter von ihm kam dabei ums Leben. Seine Betroffenheit brauchte ein Ventil, sagte er dem Kölner Domradio, das er dann in Form eines Psalms gefunden hat. Damit gab er Pfarrer Meyrer und vielen anderen Menschen Worte, mit denen sie sich an Gott wenden konnten.

Daraus wurden mehr Psalmen, in denen Wahl mit unterschiedlichen Themen ringt. Im Buch sind sie thematisch geordnet: die Katastrophe an der Ahr, Klagepsalmen, Lob und Dank, Ermutigung, Psalmen zu bestimmten Zeiten. Darunter sind ein Psalm für Menschen, die nach der Flut in ihre Häuser zurückkehren, ein ratloser Psalm zum Ukraine-Krieg, ein „Ohne-Glauben-Psalm“, ein Dank-Psalm („Wenn ich etwas von dir will / bin ich sofort zur Stelle… / Es ist höchste Zeit, einmal nichts zu wollen, / dir einfach zu danken…“), ein Psalm für müde Menschen vor dem Zubettgehen, ein Mutmach-Psalm.

Kennzeichnend für Wahls Texte sind die frischen Formulierungen, ohne fromme Floskeln, die vom Ringen mit Gott erzählen, um den eigenen Glauben, um das Leben mit all seinen schönen und abgründigen Seiten. Hier schreibt einer, der eben nicht vorgibt zu wissen, wer Gott ist, was er will und warum sie sich so verhält wie Wahl (und viele Menschen) es erfahren: „Noch mehr fehlen die Menschen, / die in den Fluten starben. / Warum, Ewiger, hast du sie nicht gerettet? / Warum? / Dein Schweigen quittiere ich / mit meinem eigenen Schweigen, / ich begreife dich wirklich nicht, / rätselhafter, ewiger Gott.“

Diese Spannung zwischen dem rätselhaften Gott und dem, dem sich der*die Betende vertrauensvoll zuwendet, tritt in fast jedem Psalm zutage.

Wahl scheut sich auch nicht, mit Gott Klartext zu reden: „Nie werde ich verstehen / warum du dem allem nur zusiehst, / deine Hand nicht eingreift / und die Tyrannen zerschmettert. / Mach dich gefasst auf meine zornigen Fragen, / wenn wir uns sehen werden, später…“ (Es ist Krieg).

Die Worte, die Stephan Wahl für sein Ringen mit Gott und dem Leben findet, gehen unter die Haut. Sie haben das Zeug, die eigene Zunge (wieder) zu lösen und das eigene Beten zu bereichern. Sie zeigen einen Gott, der mit sich reden lässt, dem man Freude und Dankbarkeit genauso zumuten darf wie Wut und Trauer, ja selbst den eigenen Unglauben.

Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der St. Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.

 
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