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Jahr A (2016-2017)  
18. Februar 2017

Die Kraft der Schwäche

19.02.2017

Mt 5,38-48

Von den Texten der Bergpredigt sorgt wohl kaum ein anderer für mehr Diskussionsstoff als der Text von der Feindesliebe. „Leistet dem, der euch Böses tut keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann gehe zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.“

Die Begründung Jesu für seine Forderung ist denkbar einfach und deshalb auch nicht von der Hand zu weisen: „Denn er (Gott) lässt die Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. (…) Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch eurer Himmlischer Vater ist.“

Ist Jesu Forderung nach Vollkommenheit im Bezug auf Gewaltverzicht und Feindesliebe einzigartig? Oder finden sich andere Beispiele in der Geschichte der Menschheit und der Religionen?

Spontan fällt mir Mahatma Gandhi als herausragendes Beispiel von Gewaltverzicht ein. Liebe resigniere nicht gegenüber Bosheit, sondern (…) mache das Schwert des Tyrannen stumpf, indem sie seine Erwartung physischer Gegenwehr enttäusche, erklärt Gandhi seine Haltung.

In der Textsammlung Dhammapada, die Aussprüche des Buddha beinhaltet, kann man ganz Ähnliches lesen. Im Vers 223 heißt es: „Besiege (erobere) Zorn durch Liebe. Besiege Böses durch Gutes. Besiege Anhaftendes (am Eigenen Festhaltendes) durch Geben. Besiege den Lügner durch die Wahrheit.“

Als ein großes Glück, das nur den Geduldigen zuteil wird, beschreibt der Koran in der Sure 41,34 die Tatsache: „Und nimmer sind das Gute und das Böse gleich. Wehre (das Böse) in bester Art ab, und siehe da, der, zwischen dem und dir Feindschaft herrschte, wird wie ein treuer Freund sein.“

Und wenn der Feind in mir selbst steckt, rät C.G. Jung: „Wenn ich mich selbst wahrnehme mit all dem, was in mir ist, dann bedarf ich des Almosens der eigenen Güte. Diese Art Feindesliebe zu sich selbst, das halte ich für eine anthropologische Höchstleistung, dass jemand so etwas denken und leben kann.“

Schließlich verkündet 1993 in Chicago das Parlament der Weltreligionen in seiner Erklärung zum Weltethos: „Es gibt ein Prinzip, die Goldene Regel, die seit Jahrtausenden in vielen religiösen und ethischen Traditionen der Menschheit zu finden ist und sich bewährt hat: Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu. Oder positiv: Was du willst, das man dir tut, das tue auch den anderen! Dies sollte die unverrückbare, unbedingte Norm für alle Lebensbereiche sein, für Familie und Gemeinschaften, für Rassen, Nationen und Religionen.“

Wenn man allerdings heutzutage die Reden rechtsgerichteter Politiker weltweit hört, scheinen diese das ’antike’ Ideal wieder aufleben lassen zu wollen: „Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.“ Damit sie auch möglichst viele von dieser Theorie überzeugen können, bauen sie sorgfältig neue Mauern und Feindbilder auf. Ihre Propaganda zielt auf eine Politik der Stärke und Bedrohung.

Die Botschaft von der Feindesliebe der Bergpredigt ist also nach wie vor hoch aktuell.

Wie schwer es aber uns allen fällt, dem Ideal Jesu gerecht zu werden, braucht nicht ausgeführt zu werden. Ein Anfang ist vielleicht gemacht, wenn man Nietzsches Rat folgt: „Von seinen Feinden zu lernen ist der beste Weg dazu, sie zu lieben: denn es stimmt uns dankbar gegen sie.“182|left

Christine BUßHARDT
christine.busshardt@cathol.lu
 
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