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Jahr B (2017-2018)  
9. Juni 2018

Der freie Mensch Jesus

Kommentar zum 10. Sonntag im Jahreskreis von Elisabeth Werner (10.05.2018)

Gedanken zum Markus-Evangelium (3,20-35)

Aktuelle Debatten in unseren Nachbarländern zur „Bewahrung des christlichen Abendlandes“, zum Umgang mit religiösen Symbolen im öffentlichen Raum und nicht zuletzt zur Kreuz-Pflicht für bayerische Landesbehörden zeigen, wie leicht, rein kulturell, gar ideologisch ausgelegte christliche Werte für politische Zwecke instrumentalisiert werden können, nicht selten im Gegensatz zur eigentlichen Botschaft des Jesus von Nazareth.

„Reclaiming Jesus“ – d. h. in etwa „Jesus wiedergewinnen“ – so lautet die Initiative von 23 Vertretern und Vertreterinnen christlicher Kirchen, Glaubensgemeinschaften und Hochschulen in den USA, mitbegründet von Bischof Michael Curry aus Chicago (Oberhaupt der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten, nunmehr wegen seiner flammenden Predigt zur Prinzenhochzeit in Großbritannien wohlbekannt).

Die Kundgebung wurde am Aschermittwoch als „Ein Glaubensbekenntnis in Krisenzeiten“ verfasst und war Gegenstand einer Kerzenvigil beim Weißen Haus am vergangenen 24. Mai.

Der Text ist im Stil der Barmer Theologischen Erklärung gehalten, die im Jahr 1934 zur Grundlage der evangelischen „Bekennenden Kirche“ im Nazi-Deutschland wurde. Die sechs Bekenntnisse stellen bestimmten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen (Umgang mit den schwächsten Gliedern der Gesellschaft insbesondere den Geflüchteten; Rassismus und Diskriminierung, Schüren von Krieg und Gewalt, nationaler Egoismus, ...) wesentliche Grundsätze christlichen Glaubens gegenüber und betonen die Pflicht der Kirchen und der Gläubigen, nicht zu schweigen, sondern sich dort einzumischen, wo Leben und Würde der Menschen verletzt werden.

Das Evangelium am 10. Sonntag im Jahreskreis (Mk 3,20-35) führt uns Jesus vor Augen, wie er im Kreuzfeuer der Kontroverse zwischen jubelnder Menge, besorgter Verwandtschaft und offener Feindschaft steht und dabei jeglicher Vereinnahmung standhält. Als der freie Mensch verkündet er das Reich Gottes, heilt und befreit die Menschen von ihren vielfältigen Dämonen, dies in einer Welt, in der – nicht anders als heute – Krankheit, Angst, Gewalt und Unterdrückung die Menschen fesseln und entfremden. Der Anspruch Jesu ist gewaltig und stößt demnach auf Widerstand.

Die Angehörigen – darunter seine Mutter und seine Brüder – halten ihn für verrückt und machen sich in wohlgemeinter Sorge auf den Weg, um ihn zur Vernunft zu bringen. Ihre Reaktion mag uns verstören: Wieso stellen sie sich nicht bedingungslos hinter ihn? Vielleicht haben auch sie die „fake news“ zu Ohren bekommen, nämlich, dass Jesus vom Teufel besessen sei und mit dessen Hilfe die Dämonen austreibe.

Zu dieser schlimmen Anschuldigung der Schriftgelehrten schweigt Jesus nicht, sondern er ruft sie zu sich, um ihnen mit Argumenten zu begegnen: Das Böse kann nicht mit dem Bösen bekämpft werden, sagt er. Durch Jesu Handeln betritt Gott das Reich des Bösen und besiegt es.

Für die Jüngerschaft Jesu, für seine Angehörigen, für jede Christin und jeden Christen geht es letztendlich um die Entscheidung, in diesem Kampf an Jesu Seite zu stehen und wie er, aus dem Gottvertrauen heraus, Menschen zu helfen, heil und frei zu werden. Wer Gottes Willen tut, gehört zur Verwandtschaft Jesu. Die Relativierung der leiblichen Familie – „Wer ist meine Mutter, wer sind meine Brüder?“ – mag angesichts des starken Familiensinns der Juden wie eine Provokation geklungen haben.

Die Aussage zeigt auf jeden Fall, dass Jesus nicht konfliktscheu, nicht harmoniebedürftig war, sondern ein Grenzüberschreiter, der durch sein Handeln die Sehnsucht nach dem Reich Gottes wie eine neue Dimension im Herzen der Menschen wachsen lässt. Die vermag, jenseits jeder Ideologisierung, Mut und Orientierung zur Gestaltung einer gerechteren, menschlicheren Welt zu vermitteln, denn, so Bischof Curry in seiner bemerkenswerten Predigt vom 19. Mai, die Macht der Liebe vermag nicht nur den einzelnen, sondern die Welt zu verändern.

Quelle: Luxemburger Wort

Elisabeth WERNER
 
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