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Jahr B (2020-2021)  
12. März 2021

Lieben = Geben

Kommentar zum 4. Fastensonntag von Henri Hamus (14.3.2021)

Es ist die sogenannte Nikodemusstunde. In der Nacht. Der Tageslärm ist verstummt. Ablenkungen und Zerstreuungen sind verschwunden. Jesus und Nikodemus haben die Zeit vergessen, sind im Gespräch vertieft, können ganz bei sich selbst sein. Und je länger das Gespräch dauert, umso tiefer gehen die Gedanken.

Jesus führt Nikodemus in die Mitte. Der Gesetzeslehrer, der andere führt, muss geführt werden. Von der Vielzahl von Geboten und Fragen zur Mitte. Niemand lebt von Gesetzen und immer weiter ins Detail gehenden Lebensregeln.

Jesus geht aufs Ganze: Gott liebt die Welt! So sehr, dass er seinen Sohn gibt! Ohne Wenn und Aber. Er gibt ihn, er schenkt ihn.

„Gott IST Liebe“, schreibt Johannes. Das ist kein Gefühl, das ist Leben und Tat! Im Sonntagsevangelium dieses 4. Fastensonntages überwiegen die Tu-Wörter: senden, geben, richten, retten, ans Licht kommen, aufdecken, die Wahrheit tun.

Es geht Gott um den Menschen, er will für ihn Leben, Leben in Fülle. Es schmerzt ihn, wenn der Mensch leidet, sich auf Umwegen und Irrwegen verrennt. „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen“, sagt er zu Mose.

Wünsche und Erwartungen

Wer liebt, hat einen Blick für den Geliebten. Er lässt ihn nicht mehr aus den Augen. Er liest ihm buchstäblich die Wünsche von den Augen ab.

Wir haben so viele Wünsche und Erwartungen. Gerade auch nach einem vollen Jahr mit Corona-Erfahrung. Wir wünschen, dass statt Abstand wieder Umarmung und Kontakt möglich werden, dass statt Maske wieder ein Lächeln und ein Kuss möglich werden, dass auch in den Kirchen wieder mehr spürbar wird, dass wir Gemeinschaft sind, dass in den Kirchen statt genaues Abzählen und Platzzuweisungen wieder frohes Feiern und Freude am gegenwärtigen Herrn Jesus vorherrschen, dass statt ängstlicher Zurückhaltung wieder zuversichtliche Fürsorge für andere trete, dass statt immer neue Verhaltensregeln die Frohe Botschaft verkündet wird...

Und auch andere Erwartungen drängen sich auf: wieder verreisen können, wieder ins Restaurant gehen, wieder einkaufen nach Herzenslust, wieder – Entschuldigung! – den alten Trott von Vor-Virus-Zeiten wiederfinden...

Wir haben auch Wünsche für unsere arme, so arg gebeutelte Kirche. Nicht nur Covid-19 macht ihr zu schaffen, auch und vor allem interne Querelen, Gelähmtheit, Kreisen um sich selbst, Reformunwilligkeit und vieles mehr! Die Menschen erwarten das Gute Wort, das Wort der Aufrichtung und Hoffnung, das Wort für eine neue Zukunft. Und sie warten und warten...

Im Nachtgespräch mit Nikodemus deckt Jesus in all diesen Erwartungen die tiefste Sehnsucht nach LEBEN auf. Und er entfaltet ihr Ziel: nicht verloren gehen, nicht gerichtet werden - gerettet werden, ewiges Leben, Licht, Wahrheit.

Nikodemusstunden

Wir brauchen eine Nikodemusstunde! Momente der Zurückgezogenheit und Stille. Vielleicht am späten Abend. In einer gemütlichen Ecke in der Wohnung. Im Zwiegespräch mit Jesus. Um einfach auf ihn zu hören, seine Worte in mir aufzunehmen: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab“. Gott liebt. Er gibt seinen Sohn. Er schenkt ihn. Ich lasse mich überwältigen von diesen einfachen Sätzen. Ich sage mir diese Gute Nachricht immer wieder leise vor: Gott liebt, Gott schenkt seinen Sohn. Es wird ruhig in mir, und mein Wünschen und Sehnen weitet sich, weit über mich hinaus.

Wir brauchen Nikodemusstunden, auch im Gottesdienst. Momente der Stille, damit Gottes Wort hörbar wird. Damit der Schrei der Menschen hörbar wird – damit Kirche, damit wir zu ihnen „hinausgehen“ und ihnen geben, wonach sie sich sehnen. Und das ist mehr als Brot!

Die Nikodemusstunde ermutigt zu mehr Erneuerung; „neu geboren werden“, sagt Jesus zu Nikodemus. Mehr Gemeinschaft wagen in der Kirche, mehr Partnerschaft und Dialog; Ernstmachen mit der gleichen Würde aller, mit dem gemeinsamen Priestertums aller Getauften. Mut zu etwas mehr Selbstvergessenheit und zu mehr Dasein bei den Menschen. So eine Kirche, nicht nur in Worten beschworen, wäre so wohltuend für die Welt, für die Menschen - auch bei uns!

Gott hat es vorgemacht, sagt Jesus! Er liebt die Welt. Er geht aufs Ganze. Er gibt seinen Sohn! Sich selbst! „Da er die Seinen liebte, liebte er sie bis zur Vollendung“. So geht Liebe. So ist Gott.

abbé Henri Hamus

 
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