Pilger der Hoffnung
Kommentar zu Epiphanie von Henri Hamus (5.1.2025)
"Da kamen Sterndeuter aus den Sonnenaufgängen" (so in der Übersetzung von Annette Jantzen). Wer und was aus dem Osten kommt, mag uns heute eher Furcht einflössen: der Krieg in der Ukraine, Putin im Kreml, Xi Jinping in Peking, der Nahe Osten in kriegerischen Auseinandersetzungen, die aufstrebenden Wirtschaftsmächte in Fernost…
Das Matthäusevangelium dagegen lässt die große kulturelle Tradition des Ostens aufscheinen: die außerordentlichen Beobachtungen und Erkenntnisse in der Astronomie in Persien, die Hochkulturen in Nah – und Fernost und die bis heute bedeutenden religiös-mystischen Bewegungen. Die Magier kommen wohl aus dem persischen Raum und wollen dem neugeborenen König ihre Aufwartung machen, wie zu der Zeit Vasallenkönige den Kaiser aufsuchten und sich seinem Schutz unterstellten.
Ohne Zweifel waren sie Suchende; ein Stern, eine Ahnung, eine Sehnsucht hat sie angetrieben. Und sie machten sich auf den Weg, beschritten neue Pfade, verließen Bekanntes und wagten sich vor in fremdes Umland. Sie fragten sich durch, bis sie meinten in Jerusalem am Ziel zu sein. Ihre Frage nach dem neugeborenen König löste Furcht statt Freude aus - und sie suchten weiter, weiter unten, abseits von Herrscherpracht und Hofgehabe - und fanden ein Kind und seine Mutter. Es war keine sonderlich königliche Umgebung - aber in dem Kind erkannten sie den, dem ihre Geschenke zukamen: Gold, Weihrauch und Myrrhe, königliche Gaben.
Das Matthäusevangelium erzählt die Anbetung der Magier und verweist auf die universale Bedeutung der Geburt in Betlehem: der Messias, der Retter, der Herr "erscheint" (Epiphanie – Erscheinung des Herrn) in der Welt für alle Menschen – am Ende des Evangeliums steht denn auch der Auftrag Jesu: "Geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern." In manchen Krippendarstellungen wird dieses "alle Völker" dadurch ausgedrückt, dass einer der sogenannten drei Könige ein Europäer, einer ein Asiate und einer ein Schwarzafrikaner ist; und das "alle Menschen" wird dargestellt, indem jeder der drei einem anderen Lebensalter zugehört: Jugendlicher, Erwachsener, Alter.
*
Papst Franziskus hat für 2025 ein Heiliges Jahr ausgerufen und de "Pilger der Hoffnung" eingeladen, sich auf den Weg zu begeben: "Sich auf einen Weg zu begeben, ist typisch für diejenigen, die sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens machen", so der Papst. Für viele könnte der Weg zunächst einmal hinausführen aus dem Alltag, dem Stress und der fast allgegenwärtigen Geräuschkulisse, hineinführen in die wohltuende Stille. Die Frage, welchem Stern ich in meinem Leben folge, begleitet mich bei jedem Schritt, lässt mich mal innehalten, dann wieder mal rückwärts schauen und dann bewusst weitergehen. Nenne ich den Stern Orientierung oder Lebensziel, Lebensmotto oder Vorbild, Überzeugung oder Glaube, ich darf mich dessen vergewissern, was mich anzieht und leitet.
Für den christlichen Pilger hat die Hoffnung einen Namen: Jesus, der in Betlehem geboren wurde und uns einlädt mit ihm und seinem Evangelium unser Leben zu gestalten. Er ist uns Anker der Hoffnung, an ihm können wir uns festhalten, an ihm ausrichten, ihm vertrauen und ihm entgegenleben.
Die Magier erkannten im Kind den Herrn, der sich zum Diener macht. Dem Suchenden auf den Wegen unserer Zeit ist es nicht leichter gemacht: der Retter, der Hoffnung und Ziel anbietet, hat Konkurrenz in so vielen selbsternannten Führern, die viel versprechen bzw sich viel versprechen. Sterne und Sternchen bevölkern den Zukunftshimmel, lassen kurzzeitig Glück aufscheinen und wenn die Lichter ausgeschaltet sind, bleibt der graue Alltag. Nichts gegen Politiker, wenn sie sich dem Gemeinwohl (aller Menschen, nicht nur der eigenen Bevölkerung) verpflichtet wissen, nichts gegen Showbusiness, denn Menschen brauchen auch Abwechslung und Spaß, nichts gegen Konsum, wenn er nicht ausartet in Konsumismus, wo nur das Haben und Kaufen und Verzehren zählt, meistens auf Kosten anderer. Aber niemand und nichts auf dieser Welt kann und darf den Rang der Rettung und des Heils beanspruchen!
Die Magier "aus den Sonnenaufgängen" ließen sich nicht auf die in Jerusalem ein, sie zogen auf einem anderen Weg in ihr Land, dem Sonnenaufgang entgegen – so wird Jesus Christus in der Osterliturgie genannt.
"Pilger der Hoffnung" können wir alle sein in diesem Heiligen Jahr: ob wir nach Rom oder in unsere Kathedrale, an einen Wallfahrtsort hier im Land oder im Ausland pilgern, ob wir zuhause bleiben und uns zur stillen Anbetung in die Dorfkirche begeben, wir machen uns auf und gehen auf die Suche nach Dem, der unser Leben geteilt hat bis zum Ende im Tod – wir gehen mit offenem Blick für die Menschen um uns und lassen uns aufhalten durch die, die gerade unserer Hilfe dringend brauchen – wir gehen dann wieder heim und verändern uns und die Welt um uns, weil ein besonderes Feuer uns ergriffen hat und uns drängt, Den, dem wir begegnet sind, mit anderen zu teilen.
„Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen“, formulierte der Dichter Matthias Claudius im Jahr 1775. Von Pilgerfahrten erzählen nicht nur Worte; veränderte Haltungen, ein veränderter Lebensstil , ein verändertes Leben erzählen weit mehr.
In der Weihnachtserzählung im Matthäusevangelium haben wir Vorbilder, Vorboten, "Vorgeher": sie machen sich auf den Weg, sie suchen den Retter, verweilen bei ihm und kehren dann geändert in ihre Umwelt zurück, um das Erfahrene mit anderen zu teilen.
So seien viele Pilger der Hoffnung im Heiligen Jahr 2025!