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Vom Einfluss Johannes Calvins auf den niederländischen Volkscharakter
Regard protestant von Arie van den Dries (24.9.2017)
Es können klare Zusammenhänge zwischen der niederländischen Kultur und Johannes Calvin festgestellt werden. Dies fällt beispielsweise bei der Bedeutung, die die Niederländer einer kollegial organisierten Verwaltung beimessen, auf. Aber auch die Weitergabe von Bildung durch die Laien haben die Niederländer, in der Tradition seiner Reformation, mit der Muttermilch eingesogen.
Die Bedeutung des sogenannten dritten Gebrauchs des Gesetzes (tertius usus legis) – wonach sich der Christ an das Gesetz als Leitlinie für ein christliches Leben sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft anzulehnen hat – hat die Niederländer dermaßen beeinflusst, dass sie sich auf dieser Grundlage als „ihres Bruders Hüter“ verstehen.
Eigentlich können in der niederländischen Gesellschaft zweierlei Calvins ausgemacht werden. Der erste ist der Calvin der orthodoxen Protestanten. Der andere Calvin aber wurde der Vater der gesamten niederländischen Gesellschaft – für Gläubige genauso wie für Ungläubige.
Jedem Niederländer liegt der Calvinismus mehr oder weniger im Blut, ob es ihm gefällt oder nicht. Angefangen hat dies mit dem erfolgreichen Aufstand gegen die spanische Fremdherrschaft im 16. Jahrhundert. Diesen Aufstand hätte man niemals 80 Jahre durchhalten können, wenn das Volk nicht diese calvinistische Einstellung gehabt hätte.
Im 19. Jahrhundert erfolgte im Zuge des Calvinismus ein gesellschaftliches und politisches Programm, das dem Liberalismus und Modernismus jener Zeit den Kampf ansagte. Die Calvinisten wurden zu einer Gruppe mit einer klar erkennbaren Weltanschauung und Lebensweise. Sie waren wortgewandt und gingen der Polemik nicht aus dem Wege. Sie waren asketisch, doktrinär und diszipliniert – tüchtige Arbeiter, die hohe Ansprüche an sich selbst und an die Gemeinschaft stellten. Auch die niederländischen Katholiken galten als strenggläubiger als anderswo.
Der Einfluss des Calvinismus beschränkte sich aber nicht auf Protestanten und Katholiken. Seit der Dekonfessionalisierung wird die calvinistische Einstellung der Niederländer oft als „the Dutch way of life“ gekennzeichnet. Hiermit ist meistens gemeint, dass die Durchschnittsniederländer geradlinig, moralistisch und rechthaberisch sind. Darüber hinaus können sie sehr sparsam sein.
Die im Laufe der Jahre entstandenen kulturellen Praktiken sind – wie bei anderen religiös geprägten Traditionen – aus einer spirituellen Quelle hervorgegangen. Also ist es für Niederländer notwendig, die Erkenntnisse dieses französischen Reformators sorgfältig zu bewahren und auch in unserem Zeitalter umzusetzen.
Quelle: Luxemburger Wort