Leo XIV. will bei seiner ersten Auslandsreise neue Wege öffnen
Papst Leo XIV setzt bei seiner ersten Auslandsreise in den politisch und religiös sensiblen Nahen Osten bewusst Zeichen in neue Richtungen.
Wenn Papst Leo XIV. heute zu seiner ersten Apostolischen Reise in die Türkei und den Libanon aufbricht, wirkt vieles vertraut – aber ebenso vieles überraschend neu. Die Route, die Reden, die Akzente, selbst die symbolischen Orte: alles deutet auf einen Papst hin, der bewusst neue Aufbrüche setzt. Leo XIV. reist nicht nur in zwei politisch hochsensible Länder des östlichen Mittelmeers. Er reist hinein in die Spaltlinien zwischen Europa und Asien, Christentum und Islam, zwischen Ost- und Westkirche, zwischen Tradition und Neuorientierung der päpstlichen Diplomatie.
Leo XIV. will anders auftreten als seine Vorgänger – Franziskus 2014, Benedikt XVI. 2006, Johannes Paul II. 1979 und 1999. Wo frühere Pontifexe bewusst die gemeinsame christliche Geschichte betonten, setzt Leo XIV. stärker auf Gegenwartspolitik, interreligiösen Realismus und ökumenische Zukunftsstrategien. Bewusst verzichtet Leo XIV darauf zwei zentrale Orte früherer päpstlicher Türkei-Reisen, die Hagia Sophia in Istanbul und das „Haus der Maria“ in Ephesus zu besuchen. Franziskus, Benedikt und Johannes Paul II. besuchten beide Orte – jeder aus eigenen Gründen. Die einstige Hauptkirche des byzantinischen Christentums, die Hagia Sophia, als historisches Symbol der Christenheit, das seit der Rückumwidmung zur Moschee (2020) politisches Sprengstoffpotenzial besitzt.
Das „Haus der Maria“ in Ephesus ist eng verknüpft mit den Visionen der deutschen Mystikerin Katharina von Emmerick, die das vor ihr unbekannte Haus exakt vor ihrem Tode 1824 dem Schriftsteller Clemens von Brentano beschrieben hat, ohne je dort gewesen zu sein. Leo XIV. lässt beide Orte aus. Das ist kein Zufall. Vatikannahe Diplomaten deuten den Verzicht als bewusste Deeskalation: Die Hagia Sophia ist zu politisch geworden; ein Besuch wäre ein Schlagabtausch mit Erdoğan geworden – oder eine Kapitulation. Ephesus gilt, obwohl das „Haus der Maria“ auch von Muslimen verehrt wird, unter türkischen Behörden und islamischen Hardlinern zunehmend als „unfriedlicher symbolischer Raum“, nach jüngsten Spannungen um christliche Pilgergruppen.
Leo XIV. besucht stattdessen für die Sultan-Ahmet-Moschee (Blaue Moschee) – ein Schritt, der einerseits an Franziskus erinnert, der dieselbe Moschee 2014 nach der Hagia Sofia auch besucht hatte. Der Papst besucht muslimische Realität, indem er erstmals den neuen Leiter der türkisch-islamischen Religionsbehörde Diyanet, Safi Arpagus, in Ankara trifft.
Ein Papst, der politische neue Räume sucht
Die Reise beginnt ungewöhnlich politisch: Das Atatürk-Mausoleum und das Gespräch mit Präsident Erdoğan stehen gleich am ersten Tag im Zentrum. Benedikt XVI. vermied seinerzeit zu starke politische Signale – Leo XIV. dagegen setzt bewusst eines. Der Besuch beim Leiter der Religionsbehörde Diyanet ist mehr als eine Höflichkeitsvisite. Er ist ein Versuch, den Islam in der Türkei dort zu adressieren, wo heute mehr Macht liegt als beim islamischen Klerus: in staatlichen autoritären Strukturen religiöser Verwaltung.
Die fast provokative Nähe zur muslimischen Mehrheitsgesellschaft in der Türkei kontrastiert scharf mit der nächsten Station seines Programms: Iznik (Nicäa) der Ort des ersten Ökumenischen Konzils (325) war das eigentliche, bereits 2024 von Papst Franziskus ausgemachte Ziel einer Auslandsreise. Wegen des Todes von Papst Franziskus musste Leo XIV. dies jetzt nachholen. In Nicäa begann unter Kaiser Konstantin als Organisator des Konzils, angesichts erster christologischer Spannungen, vor 1700 Jahren die Formulierung des ersten christlichen Glaubensbekenntnisses, das Christen weltweit bis heute verbindet. Leo XIV. wählt diesen Ort für ein ökumenisches Gebetstreffen mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomaios. Damit schafft er die Brücke, die Benedikt und Franziskus jeweils in Istanbul dem einstigen Konstantinopel suchten, aber nicht historisch-räumlich verbanden. Für das Treffen mit den anderen christlichen Kirchen hat der Papst diesmal keine anerkannte orthodoxe Kirche gewählt, sondern die Mor Ephrem Kirche der syrisch-orthodoxen (Jakobitischen) Kirche, die in der Türkei fast ganz aus Flüchtlingen besteht und staatlich nicht anerkannt ist. Neu ist auch ein Besuch beim Oberrabbiner der Türkei – und dies in einer Situation, in der der türkische Präsident noch vor wenigen Wochen Israel wegen Gaza offen mit Krieg gedroht hatte.
Rückkehr nach Beirut – aber anders als Franziskus
Auch wenn Leo XIV. am 30. November nach Beirut im Libanon weiterreist, betritt er dort eine Bühne, die an Papst Johannes Paul II. (1997) und Papst Benedikt XVI. (2012) erinnert. Doch 2025 ist der Libanon ein Land im strukturellen Kollaps, am Rande eines Krieges mit Israel, politisch fragmentiert, wirtschaftlich ausgeblutet und religiös sensibilisiert. Leo XIV. begegnet maronitischen, melkitischen, syrisch-katholischen, armenisch-katholischen Patriarchen, orthodoxen Kirchenführern, sunnitischen, schiitischen und drusischen Repräsentanten, jungen und älteren Menschen und Überlebenden der Hafenexplosion von 2020. Seine Messe an der Beirut Waterfront – in Sichtweite der Explosionszone – wird wohl zum emotionalen Zentrum der gesamten Reise. Im Unterschied zu Franziskus, der mehrfach betonte, nicht reisen zu können, solange das Land instabil sei, zeigt Leo XIV.: Er will dort sein, wo der Schmerz am größten ist.
Während Benedikt und Franziskus Topoi wie „Ursprünge der Kirche“ oder „Pilgerland“ betonten, spricht Leo durch die Wahl seiner Reise-Stationen vielmehr über: Migration, religiöse Koexistenz in Konfliktzonen, die Rolle des Christentums in islamisch geprägten Staaten und das Überleben orientalischer Kirchen. Der Fokus richtet sich dabei auf das 21. Jahrhundert statt auf das frühe Christentum.
Die erste Reise des neuen Pontifex, die ihn in die Herkunftsregion des Christentums führt, ist kein Zufall. Sie ist auch kein Pilgerweg durchs Museum der Christenheit. Sie ist eine politisch-theologische Intervention zugunsten eines ehrlichen Dialogs mit dem Islam, zugunsten einer vertieften Einheit der Kirchen, zugunsten eines Libanon, der im Chaos nach Halt sucht, zugunsten einer Christenheit, die im Nahen Osten, an seinem Entstehungsort nicht verschwinden soll.
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