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Mit Herz und Seele, Ohr und Anker ab in die „Peripherie“

Kommentar zum 15. Sonntag im Jahreskreis von Karsten Steil-Wilke (13.07.2025)

Die alltagsprägenden Riten, Verbote und Gebote im Jüdischen Leben heißen auf Hebräisch „Mizwot“ und sind in der Thora enthalten, die wir in den ersten fünf Büchern des Alten Testamentes, den „Fünf Büchern Mose“ („Pentateuch“) finden. Sie umfassen 613 Rituelle Regeln, davon 365 Verbote und 248 Gebote. Da kann schon einmal der Blick auf das Wesentliche, den Kern des Glaubens, verloren gehen oder aus dem Blick geraten. In diesem Kontext ist auch die Frage des Gesetzeslehrers an Jesus im Evangelium dieses Sonntages zu situieren, wenn er ihn fragt: „Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?“ Für Jesus liegen die Antworten im Gesetz und in der eigenen Tradition. Der Gesetzeslehrer zitiert daraufhin das „Schema Israel“, das „Höre Israel“, es ist so etwas wie das Jüdische Glaubensbekenntnis, wo es heisst:  „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Aber Jesus genügen die Buchstaben des Gesetzes nicht.  Jesus erzählt seinem Gegenüber daraufhin das „Gleichnis vom Barmherzigen Samariter“.  Darin ist ein Mann auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho. Er wird überfallen, ausgeraubt und halbtot und nackt auf dem Weg liegengelassen.  Ein Jüdischer Priester und ein Levit kommen vorbei und tun …nichts.  Dann kommt ein Samaritaner vorbei, Mitglied eines geringgeschätzen Glaubens, dieser sieht den Schwerverletzten nicht nur, er macht alles für den Überfallenen mit viel Herz und auch mit Geld. Am Ende fragt Jesus den Gesetzeslehrer: „Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde?“ Der Gesetzeslehrer antwortete: „Der barmherzig an ihm gehandelt hat.“ Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso.“

Es scheint gerade in dieser Zeit immer wieder mehr en vogue zu sein, sich durchsetzen zu müssen, koste es was es wolle. Und; „Wer Schwäche zeigt, den frisst der Schwarm.“

In der Nachfolge Jesu zu leben ist ein komplett konträrer Lebensentwurf: Der ehemalige Limburger Bischof Franz Kamphaus fasst für sich die Lehren des Gleichnisses so zusammen: „Mit anderen Worten: Der Bezugspunkt, von dem aus die Frage nach dem Nächsten zu beantworten ist, ist der unter die Räuber Gefallene. Es kommt nicht darauf an, in welchen vorgegebenen und festgefügten Kreisen man sich bewegt, sondern ob und wie man sich in einer bestimmten Situation als Nächster in Anspruch nehmen lässt.“ (Schott-Tagesimpuls vom 13. Juli 2025, https://schott.erzabtei-beuron.de/)

Mit Herz und Seele, Ohr und Anker zu leben ist für Jesus das, was zählt. In seinem Herz (Hebräisch „Lev“) ist der Mensch ganz er selbst, es ist so etwas wie das Gewisssen, dort fällt er Entscheidungen und hier nimmt er sämtliche Gefühle wahr. Die Seele (Hebräisch „Nefesh“) ist der göttliche Funken im Menschen. So leben heißt, eine Antenne für Gott und Mitgefühl für die Menschen und die Schöpfung haben und dieses zeigen. Das Ohr ist eines unserer sensibelsten Sinnesorgane. Es ist das letzte, was beim sterbenden Menschen ausfällt, umgekehrt also noch sehr lange funktioniert. Hier könnte es heißen, mit allen Sinnen uns auf den uns entgegenkommenden Gott auszurichten und unsere ganze Existenz davon durchdringen zu lassen. Ver-Ankert sein heißt, in der Liebe zum treuen, mitfühlenden und aufrichtenden Gott und im Dienst an den Menschen der „Peripherie“ unserer Gesellschaft zu leben.  Das ist wie auf engstem Raum zusammengefasst die Basis und das Zentrum unseres Glaubens. Und wer in diesem Sinne mit Herz und Seele, Ohr und Anker im Hier und Jetzt dienend lebt, bei dem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er seine Lebensfreude behält und sich selbst und andere für diese Botschaft begeistert.

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